Rostock: Eine neue Spielbank statt Zockerparadies
In Rostock entsteht die einzige Spielbank des Landes mit einem Komplettangebot von Black Jack bis Roulette. Gebaut wird sie in einem ehemaligen Autohaus für 4,2 Millionen Euro. Im Gegensatz zu zwielichtigen Zockerbuden soll die Spielbank das legale Glücksspiel fördern.
Das mit dem Boden war ein Problem! Der wurde später fertig als gedacht, weswegen Ivan Boskovic und Heinz Rath mit ihrer Mushroomsäule hinterherhinken. Die Säule ist ein drei Meter hohes Stahlgerüst, zusammengesetzt aus zwei Millimeter dünnem Stahlblech mit einer Taille in der Mitte. Die beiden Handwerker sind dafür extra aus Österreich angereist. Als Experten für die Einrichtung von Spielbanken setzen sie europaweit das um, was sich Architekten so alles ausgedacht haben.
Zeitverzug? Kein Ding für uns
Säulenexperte Ivan bohrt vorsichtig ein fünf Zentimeter Loch in die Decke. Dort will er dann den Kabelsalat durchführen, damit die 130 Spielautomaten auch Saft zum Arbeiten haben. Drei Meter weiter kann Heinz den durchgesteckten Kabelast entgegennehmen. Glück gehabt! "Kaum vorstellbar, dass hier mal Fahrzeuge verkauft wurden." Der gelernte Tischler Ivan bläst sich den Baustaub vom tätowierten Oberarm. Er steht dabei im ehemaligen Verkaufsraum vom Autohaus Niemann am Warnowufer. Aber jetzt denkt er nur noch an die nächsten Stunden.
"Das Schwierigste ist, dass wir am Ende diese Säule mit den versteckten Kabeln und Paneelen noch einmal fünf Zentimeter anheben müssen, damit sie exakt in die ausgesparte Deckenfuge passt." Sein Wiener Dialekt hallt ein wenig und mischt sich mit den Bohrgeräuschen auf der 1.200 Quadratmeter großen Baustelle. Er ist zuversichtlich: "Wenn gleich der Besuch kommt, dann sind wir wieder fest im Zeitplan und können was Feines präsentieren."
Eine einmalige Baustelle
Der Besuch sammelt sich derweil am anderen Ende des einstöckigen Gebäudes. Fünf Spielleiter, sogenannte Croupiers warten schon gespannt. Alles Mitarbeiter, die von der alten in die neue Spielbank wechseln. Experten für das Drehen am Roulette Rad, das Karten Verteilen beim Black Jack oder die Kontrolle der Blinds beim Pokern. Auf der Baustelle waren sie noch nie. Der Chef kommt als Letzter. Roger Cziwerny ist Leiter Marketing der Spielbanken MV GmbH und in der zukünftigen Spielbank fast schon zu Hause. "Einmalig, dass man so ein Bauvorhaben begleiten darf. Von einer alten in eine ganz neue umzuziehen und das mitzugestalten: Das gelingt einem Vollzeit-Spielbankmitarbeiter ansonsten nie."
Die Croupiers kommen
Gern übernimmt er die Führung. 35 Mitarbeiter hatte die alte Spielbank am Kabutzenhof in Rostock, in der neuen werden es 90 sein. Von der angedeuteten Garderobe am Eingang geht es zunächst rechts rum wo später die Croupiers ihr Reich haben. "Stellt Euch vor, über den lichtdurchfluteten Vorraum dann in diese - ja fast schon Halle mit den runden Spieltischen und dem dunklen Design - das wird dann Euer Reich."
Lukas Schnack arbeitet als Student in der Spielbank. Durch einen Kurs im Black Jack ist er zum Croupier geworden. "Also so richtig kann ich mir das noch nicht vorstellen, aber ich freue mich riesig drauf." Seine Nachbarin nickt! Lena-Marie Brinke studiert Sonderpädagogik und wird ebenfalls an einem Black Jack Tisch als Kartengeberin arbeiten. "Es wird viel größer sein und ich freue mich auf den Kontakt mit den Besuchern. Ich bin sehr gern unter Leuten und freue mich über jeden Tronc."
Tronc kommt aus dem Französischen, heißt übersetzt Opferstock und bedeutet so viel wie Trinkgeldkasse. Auf jedem Spieltisch gibt es einen Tronc-Schlitz in den die Spielleiterin die Gelder verschwinden lässt. "Aber alles legal und versteuert", lächelt Marketingchef Cziwerny. "Täglich werden die Gewinne aus dem Schlitzgeschäft gesammelt und gerecht an die Mitarbeiter verteilt."
Das Land hat die Pflicht, eine Spielbank anzubieten
Der Marketingleiter ist es gewohnt, sich zu rechtfertigen. Themen wie Spielsucht, Abzocke und Zockerbude im Zusammenhang mit Spielbanken hat er schon oft gehört. "Der Gesetzgeber gibt vor, dass jedes Land die Pflicht hat, legales Glücksspiel anzubieten, allein schon um illegales unattraktiver zu machen. Bei uns ist außerdem die Sicherheit Trumpf. Wir kontrollieren und registrieren jeden Personalausweis, unsere Mitarbeiter sind auf das Erkennen von spielsüchtigen Gästen geschult, die sie melden müssen." Laut Glücksspielvertrag ist der Staat dazu verpflichtet, Schwarzmärkten und illegalem Spiel entgegenzuwirken, den Jugendschutz zu gewährleisten und den fairen Glücksspielwettkampf nicht zu gefährden.
Aus Spielbank-Einnahmen werden Kinderspielplätze
Im Gebäude selbst sollen mehr als 200 Kameras dafür sorgen, dass Glücksspiel nach festen Regeln funktioniert. Mit den Finanzen sieht das so aus: 90 Prozent der eingesetzten Gelder werden als Gewinn ausgeschüttet. "Es bleiben 10 Prozent. Davon bezahlen wir zunächst unsere Mitarbeiter. Es bleibt ein attraktiver Rest. Und der landet dann bis zu 90 Prozent bei sozialen Projekten." So wird aus einem verzockten Abend also ein Kinderspielplatz? "Genau so", lacht der Marketingleiter. In der Endabrechnung landen so bis zu einem Spielbankgewinn von 500.000 Euro pro Euro 25 Cent in der Staatskasse. Also 25 Prozent, wobei der Betrag gestaffelt wird. Je mehr Gewinn, desto höher der Anteil an den Staat. Insgesamt hat das Finanzministerium 2023 bundesweit Einnahmen von 1,3 Milliarden Euro durch den Betrieb von Spielbanken verzeichnet.
Ein Hauch von Las Vegas an der Warnowmündung
In Zukunft sollen bis zu 300 Tagesgäste ihr Geld in der neuen Spielbank lassen. "Die alte war zu klein und platzte aus den Nähten. Bei 400 Quadratmetern stimmte auch einfach das Ambiente nicht mehr", so Cziwerny. Mit der Neuen hat er Großes vor: "Die soll deutschlandweit unter die Top fünf aller Spielbanken."
Spielautomaten als Heizung
Die Mitarbeiterführung auf der Baustelle geht weiter. In einem Seitentrakt des Gebäudes bleibt Robert Cziwerny plötzlich stehen. "Ihr wisst, dass ihr gerade auf der Bühne seid?" Fragezeichen in den Gesichtern der Croupier-Gruppe. "Hier ist unser Theater oder unsere Kleinkunstbühne. Comedy, Travestie oder Konzerte; mit Platz für 120 Gäste." Auch Anmietungen für Firmenfeiern oder Geburtstage sind möglich. Wie das ganze Gebäude wird auch der Theaterraum besonders beheizt. "Wir nutzen einfach die Abwärme aus dem Raum mit den Spielautomaten. Ein bisschen grünes Glücksspiel, also."
Im Automatenraum endet die Führung. Dort ist immer noch das österreichische Fachteam mit den Mushroomsäulen beschäftigt. Auf einer Seite fertig und mit Paneelen beklebt, so dass die Kabelschlangen verdeckt sind. „Wow, sieht aus wie das Holodeck eines Raumschiffs“, meint Black Jack Croupier Lukas. "Aber eben mit stark österreichischem Schmäh", entgegnet Ivan Boskovic. Wenn weiterhin alles glatt geht, können die Spieler das Roulette-Raumschiff dann ab Juni besuchen und für einen neuen Kinderspielplatz sorgen.
