Projekt soll Kinder vor sexueller Gewalt schützen
Laut Polizei-Statistik gab es im Jahr 2016 bundesweit insgesamt 12.000 Ermittlungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern. Die Dunkelziffer ist weit höher. Mit der Initiative "Schule gegen sexuelle Gewalt“ sollen Schulleitungen und Kollegien ermutigt und fachlich unterstützt werden, sich mit dem Thema sexueller Kindesmissbrauch professionell auseinanderzusetzen. Das Bundesprogramm ist vor einem Jahr gestartet. In Mecklenburg-Vorpommern engagiert sich eine Schule schon länger mit einer Theater-Werkstatt. Es ist in Leuchtturm-Projekt, das unabhängig von Initiativen aus dem Bund läuft, wie die "NDR Info Perspektiven" berichten.
Vor einer blauen Leinwand in einem Jugendzentrum stehen ein Schauspieler und eine Schauspielerin. Die Frau erzählt aus der Sicht eines Mädchens von einem sexuellen Missbrauch. Die Klasse 4 b der Wittenburger Grundschule hört still der Geschichte zu: "Neulich, als die anderen schon weg waren, da wollte er, dass ich mich nackt ausziehe. Ich habe das gemacht, aber ich habe mich danach ganz doll geschämt. Er hat gesagt, wenn ich das weiter mitmache, dann bleibt das unser Geheimnis - und wenn nicht, dann zeigt er die Fotos seinen Kumpels. Ich will das aber nicht."
"Es ist niemals eure Schuld"
Dann fragt die Schauspielerin die Kinder, was das Mädchen aus dem Stück tun kann. Die beiden Darsteller sind Theaterpädagogen aus Osnabrück. Sie erklären den Schülern, dass sie sich bei sexuellen Übergriffen Menschen anvertrauen sollen. Ihre Botschaft: Es ist niemals eure Schuld. Sie ermutigen die Kinder, nicht gelähmt zu bleiben, sondern zu sprechen. "Es geht darum, Worte zu finden, also eine Sprache zu finden, damit die Kinder das benennen können. Sonst können die Erwachsenen das nicht einordnen", sagt die Theaterpädagogin Gundula Runge.
Das Selbstwertgefühl steigern
An dem Stück "Mein Körper gehört mir" ist auch der Verein Dunkelziffer beteiligt. Die Theater-Werkstatt hat es an mehreren Hundert Schulen aufgeführt. Nach Wittenburg kommen die Pädagogen aus Osnabrück inzwischen seit zehn Jahren. "Wir wollen erreichen, dass die Kinder in die Lage versetzt werden, auch nein sagen zu können", erklärt Schulleiter Rüdiger Marlow. Durch die Veranstaltung solle auch das Selbstwertgefühl der Jungen und Mädchen gesteigert werden. "Wir wünsche uns, dass die Kinder stärker werden."
Oft kommen die Täter aus der eigenen Familie
Es geht um Stärke im eigenen Umfeld: Die meisten Kinder in Deutschland werden von Familienmitgliedern oder Bekannten sexuell missbraucht, es sind laut Bundesregierung 75 Prozent aller Taten. Liane Quandt unterstützt auch deshalb die Theater-Werkstatt. Aus Sicht der Mutter einer Schülerin bricht das Projekt mit einem falschen Tabu. "Eltern wollen nicht hören, dass es der Nachbar sein könnte oder auch jemand aus dem Familienkreis", sagt Quandt. Deshalb stünden viele dem Ansatz skeptisch gegenüber, dass man Kindern etwas erklärt, was man lieber nicht wahrhaben möchte.
Auf das eigene Gefühl hören
Die Theaterpädagogen spielen auch Szenen vor, die harmlos sind - zum Beispiel Pizza essen mit einer netten Frau aus der Nachbarschaft. Sie machen den Kindern aber klar, dass es immer richtig ist, sich erst abzusichern, etwa den Eltern Bescheid zu sagen, wenn sie mit jemandem mitgehen. Und dass sie auf das eigene Gefühl hören sollen. Das hat auch die neunjährige Isabel als Botschaft aus den drei Tagen Theater mitgenommen: "Wenn mich jetzt jemand anfasst oder so, dann ist es richtig, nein zu sagen", sagt Isabel. Sie fand das Theater-Projekt gut. "Die Leute waren sehr nett und die Geschichten auch. Es hat Spaß gemacht, und es war sehr spannend."