Plattdeutsch bis zum Abitur: Erster Jahrgang schließt ab
In diesem Jahr haben erstmals zwei Schülerinnen in Mecklenburg-Vorpommern eine mündliche Abiturprüfung im Fach Plattdeutsch absolviert. Sechs Jahre lang hatten sie Niederdeutsch als dritte Fremdsprache erlernt.
Beim Abitur Mecklenburg-Vorpommerns gab es in diesem Jahr eine Premiere: Zwei Schülerinnen aus Crivitz absolvierten ihre mündlichen Prüfungen im Fach Plattdeutsch. Die Aufgaben für die beiden jungen Frauen aus Crivitz hatten es in sich. Sie mussten zum Beispiel eine auf Plattdeutsch gehaltene Rede eines Politikers der Nazi-Zeit analysieren. Ebenfalls gefordert war, die Situation der Fischer im Land darzustellen und einzuordnen.
Niederdeutsch an 47 Schulen in MV
Im Schuljahr 2016/2017 war Niederdeutsch in MV mit eigenem Rahmenplan und Prüfungsordnung eingeführt worden. An vier Profilschulen können die Schülerinnen und Schüler das Fach bis zum Abitur belegen - in Laage, Stavenhagen, Demmin und Dömitz. Die Crivitzer Schule, von der die ersten Abiturientinnen kommen, führt das Fach nicht fort.
Crivitzer Schule führt Fach nicht fort
Dafür gibt es mehrere Gründe, sagt Plattdeutsch-Lehrer Dr. André Köhnke. Zum einen ist er der einzige Lehrer für Niederdeutsch an der Schule und muss deshalb den Unterricht der Klassen 7 bis 12 abdecken - neben Geschichte und Deutsch. Zwar sei das Interesse für Plattdeutsch groß, aber nicht alle ziehen es durch. Der Grund dafür ist, dass "das von der Stundentafel auch so gestaltet wurde, sollte es eigentlich nicht, dass es zusätzlich ist, als Wahlpflichtunterricht. Und da ist es natürlich klar, dass dann Schülerinnen und Schüler auch sagen, naja, es gibt vielleicht noch etwas Attraktiveres als Niederdeutsch, vor allem weil Niederdeutsch natürlich zensiert wird, damit man letzten Endes nachher ja in die Klassen 11 und 12 gehen kann. Das ist bei anderen Wahlfächern zum Beispiel nicht der Fall."
1.700 Schülerinnen und Schüler in MV lernen Plattdeutsch
Bis zur Oberstufe dünnte sich die Schülerzahl deshalb in Crivitz immer weiter aus, auf noch drei Schülerinnen. Und dann wird es Schulen zur organisatorischen Herausforderung den Unterricht noch abzudecken. Das Gymnasium Crivitz wird Niederdeutsch nach eigenen Angaben künftig noch als Wahlpflichtfach anbieten, aber eben nicht mehr bis zum Abitur. Insgesamt lernen an 47 Schulen im Land mehr als 1.700 Schülerinnen und Schüler Plattdeutsch - auch im Wahlpflichtunterricht, als Neigungsfach oder in Arbeitsgemeinschaften.
Niederdeutsch wird unterrichtet als 3. Fremdsprache
Im Moment gilt Plattdeutsch als dritte Fremdsprache – wie z.B. Italienisch. Schwedisch, Spanisch und Russisch können sowohl als zweite oder dritte Fremdsprache angeboten werden. Das heißt für die Schülerinnen und Schüler: neben Englisch als erster Fremdsprache und zum Beispiel Französisch oder Latein als zweiter, ist Plattdeutsch dann noch ein zusätzliches Fach – und damit weniger attraktiv. Ein Vorschlag, um Plattdeutsch für Schülerinnen und Schülern langfristig attraktiver zu machen kommt von einer der vier Profilschulen – dem Recknitzcampus in Laage.
Vorschlag: Plattdeutsch weiter aufwerten
Auf Anfrage des NDR schreibt Plattdeutsch-Lehrerin Dörte Blank in einer E-Mail: "...dat Fack Nedderdüütsch brukt denn Status von de 2. Frömdspråk, nich so as jetzt, wo dat blot as 3. Fremdspråk gellt un för de Kinner bi uns an de Schaul in´n Ganztags-Bereich mit all de coolen Såken as Geocaching, Schach, Chor, Band un Origami konkurrieren möt, wo dat nienich Zensuren gifft un ein’ nich för lihren möt." Zusammengefasst: Plattdeutsch müsse neben Französisch, Spanisch oder Latein ebenso als 2. Fremdsprache angeboten werden dürfen. Damit würde es aufgewertet. So wäre es im Stundenplan der Schülerinnen und Schüler an Gymnasien keine zusätzliche Belastung und an den Gesamtschulen würde es nicht mit anderen Ganztagsangeboten wie dem Schachclub, dem Chor oder der Schülerzeitung konkurrieren.
Lehrerausbildung am Institut für Niederdeutschdidaktik in Greifswald
Lehrer-Nachwuchs gibt es: Die Universität Greifswald bildet seit einigen Jahren über ein eigenes Kompetenzzentrum Lehrkräfte für Niederdeutsch aus. Das Interesse sei in den vergangenen Jahren gestiegen, sagt Leiterin Dr. Birte Arendt. Es könnte aber noch größer sein. Dafür müssten sich Schulen und Unis aber noch weiter abstimmen. "Die Studierenden machen das aus Interesse... da ist eine große Motivation da. Je stärker Niederdeutsch im schulischen Bereich integriert wird, umso eher werden natürlich auch die Lehramtsstudiengänge Niederdeutsch nachgefragt. Die Studierenden studieren ja nicht aufs Blaue hinaus, sondern sie brauchen eine Perspektive für das, was sie da studieren."
49 Studierende haben sich für das kommende Wintersemester schon eingeschrieben. Wie viele von ihnen dann an den Schulen ankommen, hängt aber nicht zuletzt davon ab, wie die Schulen und die Verantwortlichen im Bildungsministerium und in den Schulämtern es schaffen, das Fach weiter zu stärken.