Pläne für Flüchtlingsunterkunft: Ziesendorfer wollen mitgestalten

Stand: 26.06.2024 05:02 Uhr

Der Landkreis Rostock will in Ziesendorf bei Schwaan 125 Geflüchtete unterbringen. Zu viel, sagen die Einwohner und erarbeiten Vorschläge. Doch eine Infoveranstaltung verläuft anders als geplant.

von Juliane Schultz

Montagabend in Ziesendorf: Ein älterer Herr fährt auf einem Fahrrad durchs Dorf. Eine Hand am Lenker, in der anderen Hand ein Schild. "Kein zweites Upahl", steht darauf. Er ist auf dem Weg zu einer Protestveranstaltung, auf dem Sportplatz, die die frisch gegründete Bürgerinitiative organisiert hat nachdem bekannt geworden war, dass der Landkreis Rostock im Ort eine Gewerbeimmobilie anmieten will, um dort Geflüchtete unterzubringen.

Unterkunft für 125 Geflüchtete geplant

Offiziell informiert hatte der Landkreis bislang nur den Bürgermeister. In einer WhatsApp-Gruppe kursierten deshalb zunächst viele Gerüchte. Nun sollen die Gemeindevertreter mehr erfahren - in einer Gesprächsrunde mit dem Landkreis. Deshalb die Protestveranstaltung. Viele Einwohner hatten eine Woche lang Schilder mit ihren Forderungen gemalt, die sie dem Landrat präsentieren wollten, wenn er zu ihnen kommt. Ramon Malchin, Kopf der Bürgerinitiative, fasst sie so zusammen: "Wir wollen erwirken, dass die Flüchtlingszahlen runtergesetzt werden, weil 125 für Ziesendorf viel zu viele sind. Des Weiteren erhoffen wir eine viel bessere Infrastruktur und wir erhoffen uns eine viel höhere Sicherheit, weil es weit und breit keine Polizei gibt."

Landkreis spricht von Sicherheitsbedenken in Ziesendorf

Doch es kommt anders. Nicht Landrat Sebastian Constien kommt, um über die Pläne des Landkreises zu informieren. Er schickt Dezernatsleiterin Anja Kerl, zuständig für Soziales und routiniert darin, für ihren Chef zu sprechen. Und das Treffen findet zur Verwunderung der Ziesendorfer auch gar nicht bei ihnen statt. Die Gemeindevertreter wurden kurzfristig ins mehr als 20 Kilometer entfernte Bad Doberan beordert. Es habe Sicherheitsbedenken der Polizei gegeben, heißt es aus der Kreisverwaltung. Die Polizei bestätigt zwar ein Gespräch mit dem Landkreis – allerdings sei die Behörde zur Einschätzung gekommen, dass keine Gefährdungslage vorliegt.

Vielschichtiges Meinungsbild in Ziesendorf

Unterdessen haben sich im 600-Seelen-Dorf rund 300 Männer, Frauen und Kinder auf dem Sportplatz eingefunden. Es gibt Zuckerwatte, Crêpes, Gummitiere. Und es gibt viele Gespräche, über die Unterkunft. Die Meinungen gehen in vielen Punkten auseinander. Eine Anwohnerin sagt: "Wir kriegen das hin, wenn wir nur wollen." Ein anderer meint: "Die Geflüchteten sollten nicht auch noch den Schulbus nehmen dürfen, der ist doch jetzt schon viel zu voll." Und wieder andere sagen: "Die Zeiten in denen wir Haus und Garage gar nicht abschließen brauchten, wenn wir zur Arbeit gefahren sind, werden mit der Unterkunft enden." Auch sie haben Sicherheitsbedenken.

Ziesendorfer wollen Protest nicht vereinnahmen lassen

Alle scheint jedoch der Wille zu einen, ihr Thema nicht von politischen Gruppierungen "vereinnahmen" zu lassen. Auf vielen Bannern steht deshalb "#parteilos". Und sie wollen, dass man ihre Vorschläge wenigstens diskutiert – etwa, dass man es erst einmal mit einer langsamen Annährung versuchen könnte, schauen, wie es mit der Integration im Kindergarten und in die Dorfgemeinschaft klappt. Ramon Malchin sagt: "Wenn Ängste abgebaut sind, die viele ältere Einwohner umtreibt, weil sie nie Kontakt zu Menschen aus anderen Ländern haben, könnte man doch aufstocken." Und abgesehen davon brauche es zusätzlich zum Schulbus wenigstens einen weiteren Bus, damit die Geflüchteten Behördengänge machen können. Einen Gehweg vom Gewerbegebiet zur Bushaltestelle gebe es auch nicht.

Parallelen zu Upahl

Weil die Einwohner das alles am Montag nicht loswerden können, macht sich Frust breit. Eine Anwohnerin zieht Parallelen zu Upahl: "Auch wenn es da um ein Containerdorf ging und auch wenn die Anwohner da von Anfang an viel vehementer dagegen waren – ich kann jetzt verstehen, wie es ist, nicht gehört zu werden."

Bürgerinitiative will Protest ausweiten

André Diekmann, Sprecher der Initiative, sieht das ähnlich: "Wir als Bürgerinitiative haben klar rübergebracht, dass wir nicht verhärtet sind, das Problem ist nur, dass niemand mit einem redet." Und er sagt noch, als alle schon die Bierbänke und Schilder und die Zuckerwattemaschine abbauen, dass sie ihren Protest ausweiten und nicht klein beigeben wollen. Sie hoffen jetzt auf Unterstützung von anderen Bürgermeistern, die sich vielleicht auch ungehört fühlen. Vom Landkreis heißt es dagegen: "Es wird eine Informationsveranstaltung mit den Bürgern geben, unter Sicherheitsauflagen, sobald der Mietvertrag für die Unterkunft abgeschlossen ist."

Weitere Informationen
Die Flüchtlingsunterkunft in Upahl © NDR Foto: Sabine Froemel

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 25.06.2024 | 19:30 Uhr

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