Neues Jagdgesetz: Differenzen zwischen Jägern und Waldbesitzern
Das Landesjagdgesetz Mecklenburg-Vorpommern soll überarbeitet und im kommenden Jahr vom Landtag verabschiedet werden. Im Vorfeld gibt es vor allem Diskussionen zwischen Jägern und Waldbesitzern, deren Interessen in manchen Aspekten nicht übereinstimmen.
Warum wird das Landesjagdgesetz in MV erneuert?
Vereinfacht gesagt, geht es um das Ziel, die Wälder in Mecklenburg-Vorpommern klimastabiler zu entwickeln. Viele Baumarten leiden unter dem Klimawandel, also unter Dürre und Trockenheit. Hinzu kommt das Argument, dass Reh- und auch Rotwild junge Bäume verbeißt und so beschädigt, dass die Pflanzen absterben und nicht nachwachsen können. Das neue Landesjagdgesetz soll regeln, wieviel Wild wann erlegt werden darf und unter welchen Bedingungen. Es ist eine sogenannte Mindestabschussregelung geplant. Bislang gilt eine maximale Abschusshöhe. Diese festgelegte Deckelung soll künftig wegfallen.
Was bedeutet die sogenannte Mindestabschussregelung?
Konkret handelt es sich um den Paragrafen 21 "Abschussregelung" im Entwurf des neuen Landesjagdgesetzes. Eine Abschussplanung für Rehwild soll komplett wegfallen. Für bestimmte Altersklassen beim Rot- und Damwild, insbesondere für das weibliche Wild, soll nur noch eine Mindestabschussregelung vorgegeben werden. Das bedeutet: ein Abschuss ohne jegliche Beschränkung nach oben. Das Landwirtschaftsministerium argumentiert, dass mithilfe der neuen Regelung die Jäger flexibler auf höhere Wildbestände reagieren können.
Warum sorgt diese Regelung für so viel Wirbel?
Der Landesjagdverband (LJV) MV befürchtet, dass die neue Mindestabschussregelung zumindest theoretisch einen Totalabschuss ermöglicht und für eine ungeordnete und biologisch aus dem Gleichgewicht geratene Wildpopulation sorgen würde. So steht es in der Stellungnahme des LJV zum Gesetzentwurf des neuen Gesetzes. Darin heißt es auch, dass die vorgesehene Mindestabschussregelung gegen das Bundesnaturschutzgesetz und gegen die Berner Konvention verstoße. Das ist ein internationales Übereinkommen, das zum Ziel hat, die europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihre natürlichen Lebensräume zu erhalten. Auch die Deutsche Wildtier Stiftung steht der neuen Regelung kritisch gegenüber, weil sie völlig einseitig sei. Erhöhter Jagddruck auch nachts sei kontraproduktiv und wirke sich negativ auf den Wald aus. Kritiker der Neuregelung verweisen auch darauf, dass eine praktische Notwendigkeit für einen Mindestabschuss ihrer Ansicht nach nachweislich fehlt. So wurden zum Beispiel auch in staatlichen Forstämtern Mecklenburg-Vorpommerns trotz erheblichen Jagddrucks die selbstgesteckten Abschussziele in der Vergangenheit nicht erreicht. Die Zahl der tatsächlich erlegten Tiere beim Rot- und Damwild ist rückläufig oder stagnieren.
Was sagen die Befürworter der geplanten neuen Regelung?
Sie betonen, dass Mecklenburg-Vorpommern eine stetig steigende Wilddichte aufzeige. Hinzu komme, dass der bestehende Wald oft aus Monokulturen besteht und wegen des Klimawandels enorm unter Druck steht. Neue Baumarten müssten gepflanzt werden, die beispielsweise mit Trockenheit und Dürre besser klarkommen. Das bedeutet aber auch, dass junge Pflanzen und Triebe im Wald eine bevorzugte Futterquelle sind. Damit ein Wald der Zukunft entstehen kann, müsse das Wild noch stärker angepasst werden, weil sich der Wald ohne Hilfe nur bedingt verjüngen kann. Dieser Meinung ist beispielsweise die Michael Succow Stiftung, die sich einem Wald-Bündnis angeschlossen hat. Darin sind elf bundes- und landesweit organisierte Vereine und Verbände vertreten. Unter ihnen sind der NABU MV, der BUND MV, der Waldbesitzerverband MV und der Bund Deutscher Forstleute. Auch der Ökologische Jagdverein Mecklenburg-Vorpommern ist aus den eben genannten Gründen für eine strikte Anpassung der Wildbestände.
Wer hat an dem neuen Landesjagdgesetz mitgewirkt?
Bereits 2019 wurde vom Landwirtschaftsministerium ein Runder Tisch "Wald und Wild" einberufen. Daran nahmen Vertreter von Umwelt-, Forst- und Jagdverbänden teil. Das Ergebnis war ein Positionspapier, das jedoch damals nicht von allen Beteiligten getragen wurde. Die Stiftung Wald und Wild in Mecklenburg-Vorpommern und die Deutsche Wildtier Stiftung unterschrieben es nicht, weil sie schon damals verlängerte Jagdzeiten ablehnten. Dem Landwirtschaftsministerium liegen aktuell 34 Stellungnahmen zum Gesetzentwurf vor. Diese Stellungnahmen von Jagd-, Forst-, und Naturschutzverbänden wurden auch im Jagdbeirat der obersten Jagdbehörde diskutiert. Zudem gibt es ein festgelegtes parlamentarisches Verfahren.
Was genau ist der Jagdbeirat?
Der Landwirtschaftsminister beruft die Mitglieder des Gremiums, das ihn berät und unterstützt. Das Prozedere ist festgelegt. Im Jagdbeirat der obersten Jagdbehörde ist jeweils immer ein Vertreter/Vertreterin aus der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Landesjägerschaft, einer Jagdgenossenschaft, einer Gemeinde, des Naturschutzes und des Veterinärwesens vertreten. Der Jagdbeirat wird bei sämtlichen Gesetzesvorhaben um Stellung gebeten, die das Jagdwesen berühren.
Wann soll das neue Jagdgesetz für MV in Kraft treten?
Der Entwurf befindet sich gerade im Landtag. Am 10. Januar 2024 soll es dazu eine öffentliche Expertenanhörung geben. Für Mitte März 2024 ist die zweite Lesung des Gesetzes im Landtag geplant. Das Landwirtschaftsministerium ist guter Dinge, dass das novellierte Landesjagdgesetz zum kommenden Jagdjahr am 1. April 2024 in Kraft treten kann.