Neue Zahlen des Bildungsministeriums: Mehr Gewalt an Schulen in MV
Die Zahl der Gewalt-Vorfälle an Schulen in Mecklenburg-Vorpommern ist gestiegen. Zuletzt machten mehrere Fälle von Reizgas-Attacken Schlagzeilen.
Registrierte das Bildungsministerium im Schuljahr 2021/2022 noch 511 Vorfälle, waren es im Schuljahr darauf 769. Erfasst wurden Körperverletzungen und deren Androhung, die Androhung von Tötung, von Amoklauf oder Geiselnahme sowie Vorkommnisse mit Waffen, wie ein Ministeriumssprecher erklärte. Dabei nahmen sowohl die Gewaltvorfälle zwischen Schülern zu als auch die Attacken von Schülern gegen Lehrer.
Mehrere Angriffe mit Reizgas
Zuletzt sorgten mehrere mutmaßliche Reizgas-Angriffe für Schlagzeilen. So wurden in einer Schule auf Rügen vor einer Woche acht Schülerinnen und Schüler im Alter von zehn bis zwölf Jahren sowie vier Schulmitarbeiter leicht verletzt. Sie klagten vor allem über Reizungen der Atemwege. Unbekannte hatten laut Polizei sogenanntes Tierabwehrspray in der Mädchentoilette versprüht. Im November erlitten mehr als 40 Kinder in einer Schule in Neubrandenburg Atemwegsbeschwerden.
Kein Kavaliersdelikt
Die Polizei warnt, dass das Versprühen von Gasen oder ähnlichen Stoffen gefährlich sei. Es gebe Kinder mit Vorerkrankungen beziehungsweise Atemwegserkrankungen, die durch das Einatmen dieser Stoffe verletzt worden seien oder verletzt werden könnten. "Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine gefährliche Körperverletzung."
Mein Kind ist verletzt - was tun?
Sind Kinder in der Schule Opfer von Gewalt geworden, rät Rechtsanwältion Gesa von Schwerin davon ab, die Eltern des verursachenden Kindes damit zu konfrontieren. Eltern würden ihre Kinder instinktiv in Schutz nehmen. "Die erste Reaktion von Eltern ist: 'Mein Kind hat nichts gemacht'", sagte sie bei NDR MV Live. In den meisten Fälle führe dies von Schwerins Angaben zufolge "womöglich zu Eskalationen und zu weiteren Auseinandersetzungen, sogar auf Elternebene." Stattdessen sei es sinnvoller, bei Verletzungen zum Arzt zu gehen, um sie zu dokumentieren und die Schulsozialarbeit bei Konflikten in der Schule hinzuzuziehen. Diese werde oft unterschätzt, sei aber "in den heutigen Zeiten, in denen Konflikte in die Schulen getragen werden, extrem wichtig". Die Anwältin ist der Meinung, dass es zu wenig Schulsozialarbeiter in den Schulen in Mecklenburg-Vorpommern gebe.
Was kann Schulsozialarbeit leisten?
Sophia Witte ist Schulsozialarbeiterin in Stralsund und sagt: "Schulsozialarbeit kann sehr viel leisten, sei es durch Einzelgespräche mit Kindern und Jugendlichen in Krisen, in Gruppenarbeiten und in der Vernetzung mit Streetworkern vor Ort oder Jugendkoordinationsstellen, mit denen Projekte ins Leben gerufen werden können." Eine Ursache für mehr Gewalt unter Schülerinnen und Schülern oder gegen Lehrkräfte sieht Witte beispielsweise im Medienkonsum der Jugendlichen über das Smartphone. "Die Kindern haben die Sensibilität dafür verloren", so Witte. Mit dem gestiegenen Medienkonsum gerade junger Schüler wird der Zugang zu Gewalt verharmlosenden oder verherrlichenden Inhalten immer leichter. Der richtige Umgang mit Medieninhalten sei in jungen Jahren allerdings noch nicht erlernt. Witte erinnerte auch an die Vorbildfunktion von Eltern im Umgang mit dem Internet und sozialen Netzwerken. Dies könne dazu beitragen, Auswirkungen und Einfluss von grenzüberschreitenden Inhalten auf Kinder und Jugendliche zu minimieren.
Präventionsprojekt gegen Mobbing
Das Bildungsministerium will Mobbing und Gewalt an weiterführenden Schulen zurückdrängen. Dafür steht seit Beginn dieses Schuljahres flächendeckend das Präventionsprojekt "Mobbingfreie Schule - Gemeinsam Klasse sein" zur Verfügung. Dieses wurde in Kooperation mit der Techniker Krankenkasse entwickelt. Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) sagte, die Präventionsangebote förderten den respektvollen Umgang untereinander und würden aufzeigen, dass die Achtung des anderen ein Mittel zur Konfliktlösung sei.