Nach Millionen-Investitionen: Was hat Wismar vom Kreuzfahrttourismus?
Vor Jahren haben die Stadt Wismar und das Land in den Kreuzfahrtanleger etwa acht Millionen Euro investiert. Doch was bringt der Stadt Wismar und ihren Bürgern der Kreuzfahrttourismus?
Gleich zwei Kreuzfahrtschiffe haben vergangene Woche in Wismar angelegt. Zusammen waren etwa 1.200 Passagiere an Bord. Shuttle-Busse haben die Passagiere der "Seabourn Quest" über das Industrie-Hafengelände in die Stadt gefahren. Das fast 200 Meter lange Schiff musste etwas außerhalb von Wismar im Seehafen anlegen. Bauarbeiten im Hafenbecken verhinderten, dass sie direkt neben der "MS Amera" liegen konnte. Wie viele von den Passagieren wirklich in der Innenstadt von Wismar waren, ist nicht genau bezifferbar. Busse haben einige der Touristen nach Schwerin und Lübeck gefahren. Ältere Reisende bleiben auch gerne mal an Bord. Ein Großteil wird aber zumindest einen Teil seiner Landgangzeit in Wismar genutzt haben.
Geld von Reederei und Passagieren
In die Stadtkasse fließen unter anderem Hafen- und Liegegebühren. Für den etwa neunstündigen Aufenthalt der "MS Amera" hat die Reederei ungefähr 17.000 Euro bezahlt. Die "Amera" ist eines der größten Schiffe, die in diesem Jahr Wismar besuchen. Aber die Stadtverwaltung der Hansestadt rechnet noch mehr ein, darunter Museums- und Kirchenbesuche und Stadtrundgänge. Insgesamt 175 Passagiere haben beim Doppelanlauf offizielle Stadtführungen gebucht - für zehn Euro pro Person.
Einzelhandel und Gastronomie spüren kaum mehr Gäste
Für Wirtschafts- und Tourismusminister Reinhard Meyer (SPD) ist der Kreuzfahrttourismus "ein wichtiger wirtschaftlicher Zweig für den Tourismus im Land. Kreuzfahrttouristen stärken dabei auch die heimische Wirtschaft vor Ort." Der Dienstleistungsbereich sowie die Gastronomie und der Einzelhandel profitierten von den Anläufen. Das rechnet sich auch die Stadtverwaltung von Wismar aus: Es wird Geld für Essen, Souvenirs und andere Dienstleistungen ausgegeben - auch von Besatzungsmitgliedern. Das Bild in der Innenstadt von Wismar ist aber ein anderes. Café- und Betreiber kleinerer Läden berichten von vielen Menschen in der Fußgängerzone, die aber nicht in ihre Läden kommen. Das liege auch an den Stadtführungen, bei denen die Besucher in ihren Gruppen entlang der Sehenswürdigkeiten geführt werden. Da bleibe keine Zeit für den Schuhkauf oder eine Tasse Kaffee. Auch die Restaurants am Hafen werden kaum besucht. Das bestätigen auch Passagiere der "MS Amera". Meist esse man spät Frühstück, mit kleinen Snacks reiche das bis zum Abendessen auf dem Schiff. Aber das Mittagessen auf dem Schiff würden die meisten auslassen, dafür sei die kurze Zeit an Land dann doch zu schade.
Hoffnung auf Rückkehr für mehr als einen Tag
Jeder Besuch erhöht auch die Bekanntheit der Stadt. Das ist die Erwartung der Hansestadt aus touristischer Sicht. Die wirtschaftliche Hoffnung dahinter: Nach ihrem positiven Reiseerlebnis "sollen die Kreuzfahrer zu einem späteren Zeitpunkt erneut als Individualtouristen in unsere Hansestadt zurückkehren", so ein Stadtsprecher. Im Rahmen der Dreharbeiten für einen Nordmagazin-Beitrag haben viele Passagieren der "MS Amera" der Stadt ein deutlich positives Feedback gegeben. Schön und übersichtlich sei es. Für einige ist eine Rückkehr denkbar, einige andere haben jetzt alles gesehen. Sie behalten Wismar in guter Erinnerung.
Investitionen in den Kreuzfahrtanleger
Im Juni 2021 ist mit der Einweihung des Abfertigungsgebäudes der Bau des Kreuzfahrtanlegers zu Ende gegangen. Dazu gehörten ein Busparkplatz und ein Zaun, der das Areal am Alten Hafen Wismars komplett verschließt sobald ein Schiff anlegt. Auch ein sogenannter Dalbensteg wurde gebaut - eine Verlängerung der eigentlichen Kaikante. Daran können Schiffe festmachen, die länger als die Kaikante sind. Das zweistöckige Abfertigungsgebäude ist nicht mehr als ein Durchgang. Polizei und Zoll sollen darin arbeiten. Zu sehen ist bei Schiffsankünften aber meistens nur ein privater Sicherheitsdienst. Ein Kreuzfahrtterminal braucht Wismar nicht. In einem Terminal würden Passagiere abgefertigt werden, die vom Schiff auf- oder absteigen. In Wismar bleiben die Kreuzfahrer aber Tagestouristen.
Gesundheitsbelastung für die Stadt-Bewohner
Jeder Besuch im Wismarer Alten Hafen, der quasi zu Altstadt gehört, bringt auch Luftverschmutzung mit sich - auch wenn es in Wismar meist kleinere Kreuzfahrtschiffe sind. Sie stoßen beim Anlegen, Ablegen und während der gesamten Liegedauer große Mengen Stickstoffoxide und Schwefeloxide aus. Das sei eine Gesundheitsgefährdung für die Anwohner, sagt Sönke Diesener, Referent für Verkehrspolitik beim NABU. Die beiden Schiffe, die jetzt in Wismar waren, hätten keine Katalysatoren für ihre Dieselmotoren. Eine Landstromanlage gibt es am Kreuzfahrtanleger nicht. Über die könnte ein Kreuzfahrtschiff Energie beziehen und dafür die Motoren auslassen. In Warnemünde zum Beispiel gibt es seit etwa drei Jahren eine Landstromanlage. Laut Wirtschaftsministerium des Landes liegt auch kein Antrag auf Förderung für das auslaufende Bundesprogramm "Zur Förderung des Ausbaus von Landstromanlagen" für den Standort Wismar vor.
Corona und Ukraine als Gründe für Flaute
Die "Amera" und die "Seabourn Quest" waren Kreuzfahrtanlauf drei und vier in Wismar für diese Saison. Für Mitte Juli steht der nächste Anlauf im Plan. Kurz vor Weihnachten der zehnte und letzte. Das ist etwa die Hälfte von dem, was man sich vor dem Bau des Kreuzfahrtanlegers erhofft hatte. Corona hat der Branche einen Dämpfer verpasst. Weitere Gründe sieht das Wirtschaftsministerium auf Anfrage in den Folgen des Ukraine-Krieges. So würden beispielsweise amerikanische Gäste beim Buchen von Ostseereisen zurückhaltend bleiben.