NDR Auswertung: AfD in MV erfolgreichste Fraktion auf TikTok
Die AfD-Fraktion in MV ist auf TikTok viel erfolgreicher als andere Landtagsparteien. Provokation zahle sich aus, sagt der Kommunikationsforscher Johannes Hillje und empfiehlt anderen Parteien, mehr Emotionen zuzulassen.
Die AfD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern betreibt den mit Abstand erfolgreichsten TikTok-Kanal aller im Schweriner Landtag vertretenen Parteien. Das zeigt eine Auswertung des NDR in Mecklenburg-Vorpommern. Die AfD-Fraktion hat mit ihrem Account auf der Social-Media-Plattform über 120.000 Gefällt-Mir-Angaben eingesammelt. Diese Likes sind bei TikTok eine entscheidende Kennzahl für den Erfolg. Die Partei liegt damit weit vor anderen Landtagsfraktionen und hat mehr Likes eingefahren als alle anderen Fraktionen zusammen. Mit großem Abstand folgt die Linke: Sie schafft es auf über 8.600 Likes. SPD, CDU und FDP im Land bleiben im dreistelligen Bereich. Die Grünen-Fraktion im Landtag hat keinen TikTok-Kanal.
Der Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje sieht in den Zahlen des NDR ein Muster für ganz Deutschland. Botschaften von AfD-Politikern seien "stark emotionalisierend, polarisierend und auch provozierend" formuliert, so Hillje. Als Berater war er nach eigenen Angaben unter anderem für die SPD, die Grünen sowie für verschiedene Ministerien, Gewerkschaften und Stiftungen tätig.
TikTok - die neue politische Plattform
Bereits zu den Kommunal- und Europawahlen 2024 hat sich gezeigt: Soziale Medien wie TikTok sind eine neue einflussreiche politische Plattform, vor allem für junge Menschen. Über 40 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen nutzen TikTok. Die Plattform ist damit zum wichtigen Präsentationspodium für Parteien geworden. Mittlerweile zeigt sich auch auf Landesebene, dass immer mehr Parteien und politische Akteure die sozialen Medien bespielen.
Kommunikationsstrategie der AfD
Bei ihrer Zielgruppenansprache im Netz geht die AfD ganz bestimmt vor. Es komme besonders auf der Kurzvideoplattform TikTok darauf an, die Aufmerksamkeit des Publikums im allerersten Moment zu gewinnen, meint Hillje. "Es gibt bei der AfD den Ansatz, so etwas wie einen Köder zu setzen, der sofort am Anfang für alle Nutzerinnen und Nutzer, die das Video schauen, sichtbar oder hörbar ist." Hillje verweist an dieser Stelle zum Beispiel auf einen TikTok des AfD-Politikers Leif-Erik Holm, in dem von 'Bürgerverarsche' die Rede ist. Dieses TikTok wurde über 5.000 Mal geliked und mehr als 500 Mal kommentiert. Mit zuspitzender Sprache wie in diesem Post grenzt sich die AfD gegenüber der amtierenden Bundes- oder Landesregierung, anderen Parteien und öffentlich-rechtlichen Medien ab.
Hillje: "Demokratische Emotionalisierung" in sozialen Medien
Längst ist bekannt, dass die AfD mit ihrer eignen Ansprache Politik über Social-Media erfolgreicher vermitteln kann als andere Parteien. Dort sei häufig eine "Emotionsaversion" das Problem, meint Hillje. Politiker setzten oftmals eine Emotionalisierung gleich mit Entsachlichung. Hillje rät zu einer "demokratischen Emotionalisierung", bei der "stark auf die Emotion der Hoffnung gesetzt" und ein "inklusives Wir" geschaffen wird.
Staatskanzlei auf TikTok: Datenschützer warnen
Trotz oft niedriger Reichweiten bei Accounts anderer Parteien fällt auf: Es werden mehr politische TikTok-Kanäle im Schweriner Landtag. Einzelne Politiker aller Landtagsfraktionen haben bereits Accounts. Auch die Staatskanzlei ist seit März 2024 auf TikTok aktiv. Doch vor dem zunehmenden TikTok-Einfluss in der Landespolitik wird auch gewarnt: Es sei fraglich, ob hochsensible Daten ausreichend geschützt sind, wenn TikTok - die App des chinesischen Unternehmens ByteDance - auf Diensthandys der Staatskanzlei installiert ist, gibt Thomas Brückmann, Referatsleiter beim Landesdatenschutzbeauftragten MV, zu bedenken. Beispielhaft fügt Brückmann hinzu: "Im Zweifel sieht das Unternehmen, wo die Ministerpräsidentin unterwegs ist, weil natürlich auch Standortdaten übermittelt werden." Auch die Plattformbetreiber kommunizierten zu wenig, was mit den Daten passiert. Für die Politik bleibt es somit ein Spagat: Zum einen gilt es, den Anschluss an die junge Wählerschaft nicht zu verlieren und zum anderen vorsichtig zu sein im Umgang mit hochsensiblen Daten im Netz.
Hinweis der Redaktion
Der Verweis auf Hilljes bisherige Tätigkeiten sowie der Link zu seinen Referenzen wurden nachträglich ergänzt.