Mehr Wettbewerb setzt Notfall-Rettung unter Druck
Der Rettungsdienst in Mecklenburg-Vorpommern steht in den kommenden Monaten vor möglicherweise massiven Veränderungen. In den sechs Landkreisen laufen die bestehenden Alt-Verträge mit Anbietern wie dem DRK, den Johannitern oder dem Arbeiter-Samariter-Bund aus. Das sieht das Rettungsdienst-Gesetz vor.
Nach zehn Jahren ist Schluss - so schreibt es das Rettungsdienst-Gesetz vom Mai 2015 vor. Das heißt: Spätestens zum 30. April 2025 müssen die Kreise als Träger der Notfall-Rettung sich nach neuen Anbietern umsehen - europaweit. Das gilt für alle Verträge, die vor Mai 2015 abgeschlossen wurden. Nach Angaben des Landkreistages sind alle Landkreise betroffen und das fast flächendeckend. Der kommunale Spitzenverband warnt seit längerem vor Umbrüchen. Er forderte, so erklärt Geschäftsführer Matthias Köpp, eine Öffnungsklausel. Aus der Ausschreibungspflicht hätte nach dem Willen des kommunalen Spitzenverbandes eine "Kann-Regelung" werden sollen - ohne Erfolg. Das Gesundheitsministerium in Schwerin habe Änderungen abgelehnt. "Es ist davon auszugehen, dass sich die Rettungsdienstlandschaft in MV verändern wird", meint Köpp jetzt.
Ministerium: Kreise seien lange vorbereitet gewesen
Das Ministerium reagierte gelassen. Ein Sprecher von Ministerin Stefanie Drese (SPD) erklärte auf Anfrage, es gehe um einen "gleichberechtigten Wettbewerb" im Rettungsdienst. Bestehende Altverträge, die jährlich stillschweigend verlängert würden, seien "anfechtbar durch Klagen von Konkurrenzunternehmen". Das Ministerium sieht die Gefahr, dass dabei bestehende Strukturen durch Gerichtsentscheidungen "ungeplant aufgelöst werden". Auf die Gefahren habe man in Gesprächen mit den Kreise immer wieder hingewiesen. In den Augen des Ministeriums geht es beim automatischen Auslaufen der Verträge zum 30. April 2025 auch um "Qualitätssicherung". Die bestehende Regelung stelle Rechtssicherheit für alle Anbieter her - die Kreise seien lange auf den Termin vorbereitet gewesen. Es gebe "keinen Bedarf", an der Regelung etwas zu ändern.
Linke warnt vor "Rettungsdienst als Geschäftsmodell"
Dreses Koalitionspartner, die Linke, sieht das anders. Die Frist im Gesetz sorge "seit Jahren für Verunsicherung bei den Leistungserbringern". Torsten Koplin, Gesundheitsexperte der Fraktion, erklärte, europaweite Ausschreibungen sollten auf gemeinnützige Träger beschränkt bleiben. Man sei in der Angelegenheit in Gesprächen mit der SPD. Noch zu Oppositionszeiten hatte Koplin deutlicher formuliert. Im September 2019 - gut zwei Jahre vor dem Start der rot-roten Koalition - brachte er im Landtag einen Antrag ein, um die Frist aus dem Gesetz zu streichen. Wer damit rechnen müsse, als Anbieter nicht mehr weitermachen zu können, werde nicht mehr in Rettungswachen investieren und sich nicht mehr um Berufsnachwuchs kümmern, warnte Koplin seinerzeit. Insgesamt bestehe die Gefahr, dass bei einer europaweiten Ausschreibung Unternehmen zum Zuge kommen, "die im Rettungsdienst ein Geschäftsmodell sehen".
Landkreis LuP übernimmt Rettungsdienst selbst
Diese Gefahr will der Landkreis Ludwigslust-Parchim abwenden. Der Kreistag hat auf Vorstoß von Landrat Stefan Sternberg (SPD) im vergangenen Dezember die Weichen dafür gestellt, den Rettungsdienst ab Mai 2025 komplett in die eigene Hand zu nehmen. Die bestehenden Verträge mit dem DRK und dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) sollen nicht verlängert werden. Diese Rekommunalisierung sieht das Rettungsdienst-Gesetz vor. Rund 300 Mitarbeiter in 16 Rettungswachen müssten übernommen - der Landkreis will den Übergang eng mit dem bestehenden Anbieter abstimmen.
Für den Landrat ist diese Lösung offenbar einfacher als eine europaweite Ausschreibung, die nach zehn Jahren erneut erfolgen müsste. Für Sternberg hätte die Übernahme des Rettungsdienstes außerdem eine Art positiven Nebeneffekt. Da der Kreis bereits die LUP-Kliniken in Ludwigslust, Hagenow und Crivitz in Eigenregie betreibt und als Gesundheitsanbieter auftritt, könnte der eigene Rettungsdienst für Synergien sorgen. Allerdings sieht Sternberg die Gefahr, dass die nötigen Umstrukturierungen und Neuverträge vor allem für Rechtsanwälte ein Millionen-Geschäft werden könnten.
DRK fürchtet höhere Kosten und geringere Qualität
Beim DRK-Kreisverband in Parchim sieht man die kommenden Monate mit Bedenken. Vorstandsmitglied Steffen Heine sagte, "Ausschreibungen im Rettungsdienst bringen den Bürgern keinerlei Vorteil". Neue Leistungserbringer würden zu "Brüchen" bei Personal und Qualität führen. Am Ende komme es zu höheren Kosten und nicht zu Einsparungen - dass hätten Beispiele auf anderen Bundesländern gezeigt.