Sendedatum: 27.01.2015 21:15 Uhr

Mastbetriebe tricksen bei Stallgrößen

von Jan Körner

Tiertransporter, Traktoren, Lastwagen - jeden Tag poltert der landwirtschaftliche Schwerverkehr durch die kleine Gemeinde Lüblow in Mecklenburg-Vorpommern. Seit zwei Hühnermastställe am Dorfrand gebaut wurden, kommt der Ort nicht mehr zur Ruhe. Die Legehennen-Ställe bedeuten ein großes Verkehrsaufkommen für die Gemeinde. "Hier müssen die Eier abgeholt werden, hier müssen die Futtermittel hergebracht werden, hier muss der Mist weggefahren werden. Das ist für die Anwohner eine Belastung", klagt  Bürgermeister Lothar Seeliger. Gewollt hat die landwirtschaftlichen Anlagen keiner der knapp 600 Einwohner.

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Keine Beteiligung der Öffentlichkeit

Lothar Seeliger, Bürgermeister von Lüblow
Lothar Seeliger, Bürgermeister von Lüblow, hatte kein Mitspracherecht bei der Genehmigung der zwei Mastställe.

Lothar Seeliger steht am Maschendrahtzaun und guckt auf die Hühner. "Wir haben gegen die Ställe gekämpft", erzählt er, "aber in dem Moment, in dem die Anträge auf meinem Schreibtisch lagen, war es bereits zu spät. Wir konnten nichts mehr machen." Aufgeben wollte die Gemeinde trotzdem nicht. Sie sammelte Unterschriften, rief den Petitionsausschuss des Schweriner Landtags an und legte Widerspruch gegen die Genehmigung ein. Geholfen hat all das nichts. Nun haben die Einwohner von Lüblow fast 80.000 gefiederte Bewohner mehr im Dorf - ohne dass die Öffentlichkeit, in diesem Fall die Gemeinde Lüblow, gehört worden wäre. Die Möglichkeit, ihr Einverständnis zu geben oder eben zu verweigern, hatte sie nicht.

Lüblow ist kein Einzelfall

Dabei sieht die Gesetzgebung eigentlich vor, dass Gemeinden mit einbezogen werden, sobald ein Genehmigungsverfahren für einen Hühnerstall mit mehr als 40.000 Hühnern läuft. Doch in Lüblow hat das verantwortliche Agrarunternehmen einen gängigen Trick angewendet und statt eines großen Stalls einfach zwei kleine Ställe gebaut. Die beiden Ställe werden von unterschiedlichen Tochterfirmen betrieben. Die Anlage der "Freilandhaltung Neu-Lüblow GmbH" steht am einen Ende des Dorfes, die der "Freiland-Frischei Lüblow GmbH" am anderen. Und in jedem der Ställe leben nun 39.364 Hennen. Damit liegt die Anzahl der Hühner unter der Mitsprachegrenze von 40.000. Die Gemeinde Lüblow war gegen den Bau machtlos.

Lüblow ist kein Einzelfall. Recherchen von Panorama 3 ergaben: Hühnerställe mit einer Größe von unter 40.000 Tieren sind inzwischen die Regel. In Schleswig-Holstein waren das in den letzten sechs Jahren 68 Prozent aller genehmigten Ställe. In Mecklenburg-Vorpommern sogar 90 Prozent.

Wir recherchieren
Jan Körner, Panorama 3.

Jan Körner

Jan Körner beschäftigt sich bei Panorama 3 mit Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Sie kennen Fälle von sozialer Ungerechtigkeit? Dann schreiben Sie ihm! mehr

Kein Handlungsspielraum bei Grenzwerten?

Der Grenzwert von weniger als 40.000 Hühnern pro Stall ist im Bundesimmissionsschutzgesetz festgelegt. Das Gesetz sieht für kleinere Anlagen ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren vor, ohne Beteiligung der Öffentlichkeit. Das verantwortliche Bundesumweltministerium weist auf Anfrage von Panorama 3 jede Verantwortung von sich. Es handele sich hier um EU-Recht, das in deutsche Rechtsprechung überführt worden sei, so das Ministerium. Es gäbe keinerlei Handlungsspielraum. Bemerkenswert. Haben doch die Grünen am 15.01.2015 im Bundestag in einem Antrag unter anderem genau das gefordert: Die Beteiligung der betroffenen Gemeinden am Genehmigungsprozess bereits ab einer Stallgröße von 20.000 Tieren. Nun wird über den Antrag im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft beraten. Kein Handlungsspielraum bei Grenzwerten sieht anders aus.

Tierhaltungsanlagen in Mecklenburg-Vorpommern

"Klasse statt Masse"

Lage von Tierhaltungsanlagen für Schweine, Rinder und Geflügel in Mecklenburg-Vorpommern, die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz einer Genehmigung bedürfen (ab 560 Sauen, 1.500 Mastschweinen, 15.000 Legehennen, 15.000 Puten, 30.000 Masthähnchen). extern

In Lüblow müssen sich die Anwohner nun mit dem Stall arrangieren. Auf eine Klage haben sie am Ende verzichtet, denn diese würden sie bei der derzeitigen Gesetzeslage mit hoher Wahrscheinlichkeit verlieren.

 

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 27.01.2015 | 21:15 Uhr

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