Lehramtsstudium: Macht Schwesig die Reform zur Chefsache?
Nach der Ankündigung von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Schwesig, für die Reform des Lehramtsstudiums zusätzlich 25 Millionen Euro auszugeben, ist eine Debatte um die Details entbrannt. Die GEW erklärte, das Geld werde nicht ausreichen.
Die Zahlen, die das Wissenschaftsministerium in Schwerin jetzt herausgegeben hat, sind alarmierend: Bis 2030 fehlen in Mecklenburg-Vorpommern 2.600 Lehrkräfte. Der ohnehin grassierende Lehrermangel würde sich weiter verschärfen. Ein Grund sind die hohen Abbrecherquoten im Lehreramtsstudium an den beiden Universitäten in Rostock und Greifswald. Viele, die mit dem Studium anfangen, schließen es nicht ab. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) meinte am Wochenende beim SPD-Parteitag in Göhren-Lebbin, das zeige, dass "nicht alles richtig sein kann" in der Organisation des Lehramtstudiums.
"Auf die Realität an Schulen nicht vorbereitet"
Kritiker wie der Verband Bildung und Erziehung (VBE) meinen, es laufe sogar vieles falsch - und das schon seit Jahren. "Die Welt hat sich verändert, auch die Schülerinnen und Schüler haben sich verändert", erklärte VBE-Chef Michael Blank." Aber wer mit Studierenden spreche, der höre immer wieder, auf die Realität an den Schulen werde man nicht vorbereitet. Auch die Lehrergewerkschaft GEW hält eine Reform des Lehramtsstudiums für "dringend notwendig". GEW-Landeschef Nico Leschinski meinte, es sei ein "beachtliches Ergebnis", dass Schwesig am Wochenende 25 Millionen Euro zusätzlich angekündigt habe.
Druck auf die Wissenschaftsministerin
In den Augen der GEW hat Schwesig das Thema damit zur "Chefinsache" gemacht. Allerdings müsse auch klar sein, so die Gewerkschaft, dass der Betrag nicht ausreichen werde, um die Lehrerausbildung zu modernisieren. Schwesig hatte eine Lehrerausbildung auf "der Höhe der Zeit" angemahnt und damit die Erwartungen an die zuständige Hochschulministerin Bettina Martin (SPD) noch einmal erhöht. Die GEW verstärkt den Druck auf die Schwesig-Vertraute: Man erwarte "zeitnah" eine Gesetzesnovelle zur Reform des Studiums.
Hohe Anforderungen an Lehramtsstudenten
Martin erklärte, sie sei mit den Hochschulen im Gespräch. Bundesweite Vergleiche hätten ergeben, dass in anderen Bundesländern die fachlichen Anforderungen an angehende Lehrkräfte im Schnitt niedriger seien als in Mecklenburg-Vorpommern. Bei der Fachausbildung zu kürzen und bei der pädagogischen Qualifikation draufzulegen, sei aber nicht die einzige geplante Neuerung. Ein weiteres Ziel sei, Regionalschul- und Gymnasiallehrer künftig bis zum ersten Staatsexamen gemeinsam auszubilden. Martin hofft auf weniger Prüfungslast und mehr Praxisbezug.
CDU warnt vor der "Einheitslehrkraft"
Die CDU-Opposition im Landtag hatte vor einer Verflachung der Ausbildung mit einer "Einheitslehrkraft" gewarnt. Die werde es nicht geben, entgegnete Martin. Denn das würde bedeuten, dass die ausgebildete Lehrkraft für alle Schularten eingesetzt werden könnte. Das sei aber nicht das Ziel des Ministeriums. Es gehe um ein sogenanntes Sekundarstufenlehramt für die Klassen 5 bis 12 oder 13. Die Lehrkräfte sollen zukünftig flexibler sowohl an den Regionalen Schulen als auch an den Gymnasien eingesetzt werden können. Dieses Modell könne vor allem an Regionalen Schulen den Unterricht besser absichern. "Denn die Nachfrage nach Lehrkräften ist gerade an den Regionalschulen besonders hoch", so das Ministerium.
FDP: Ministerin in Erklärungsnot
Offenbar hat Martin am Donnerstag im Wissenschaftsausschuss des Landtags nicht die beste Figur gemacht. Zu den Finanz-Ankündigungen ihrer Regierungschefin wollte die Ministerin nach Angaben der FDP-Fraktion nichts sagen. Es liege die Vermutung nahe, so die FDP-Abgeordnete Sabine Enseleit, "dass Schwesig anscheinend ohne Absprache im Alleingang gehandelt hat". Martin sei in Erklärungsnot geraten bei der Frage, wie das Ganze ausgestaltet werden solle. Auch im Finanzausschuss spielte Schwesigs 25-Millionen-Ankündigung eine Rolle. Es sei unredlich, so FDP-Fraktionschef René Domke, das Programm anzukündigen, ohne dass der Landtag als Haushaltsgesetzgeber beteiligt wurde. Schwesigs Aussage überraschte offenbar auch die Linksfraktion. Die Anfrage von NDR MV, ob Schwesig ihren Koalitionspartner eingebunden habe, blieb unbeantwortet. Linksfraktionschefin Jeannine Rösler meinte, über "Details" müsse man sich verständigen.
Finanzminister verweist auf Haushaltsberatungen
Einige dieser Details lieferte Finanzministerin Heiko Geue (SPD) im Ausschuss. Anders als es Schwesigs Staatskanzlei darstellte, ist noch nicht klar, ob die Sonderausgaben aus der sogenannten Ausgleichsrücklage genommen werden. Das ist eine Art "Notsparstrumpf" des Landes, der Ende 2022 noch mit 2,4 Milliarden Euro befüllt war, jetzt aber deutlich leichter ist. Ob die Reform wegen der "insgesamt schwierigen Finanzlage", so Geue, auch mithilfe der Ausgleichsrücklage finanziert werden müsse, würden die anstehenden Haushaltsberatungen ergeben.
FDP: Deckungslücke von mehr als einer Milliarde Euro
Der oberste Kassenwart der Landesregierung sieht allerdings keinen akuten Druck. Das Extrageld für die Lehramtsreform sei frühestens ab 2026 fällig, ließ er klarstellen. Allerdings ist die Ausgleichsrücklage kein unerschöpflicher Geldspeicher. Darauf verweist FDP-Mann Domke. Schon im aktuellen Haushalt würden daraus 600 Millionen Euro entnommen. Und für die Zeit nach 2026 ergebe sich eine "Deckungslücke" von mehr als einer Milliarde Euro. Schwesigs Ankündigung vom Wochenende sei wohl "eher Wahlkampfhilfe für die SPD-Kreisverbände als ein durchdachtes Konzept mit konkreter Finanzierungsvorstellung".