Kinder und Drogen: Mediziner aus MV appellieren an Erwachsene
Gernot Rücker forscht an der Universität Rostock seit Jahren zum Thema Drogenkonsum und dessen Folgen und rät im NDR MV Interview zu einem anderen, verantwortungsvolleren Umgang mit Alkohol und anderen Drogen.
Dr. Gernot Rücker zieht einen eindrücklichen Vergleich: "Wenn Sie mit einem Auto unterwegs sind und treten das Gaspedal durch und der Motor ist dafür nicht geeignet, auf Hochgeschwindigkeit zu fahren, dann bleibt der Motor natürlich stehen." Ähnliches passiere im Körper, wenn jemand Ecstasy einnimmt: Die Wirkstoffe in den Tabletten lösen im Körper Mechanismen aus, die bei lebensbedrohlichen Situationen sozusagen übermenschliche Leistungen ermöglichen: "Wenn sie im Wald einen Bären treffen, dann wollen sie ja nicht stehen bleiben, sondern möglichst schnell weglaufen."
Ecstasy: Extreme Energie über einen zu langen Zeitraum
Drogen wie Ecstasy imitieren die Auslöser für diese Alarmsysteme. Und das wird zum Problem für den Körper, sagt Rücker: "Da wird extreme Energie bereitgestellt. Wenn das aber über einen längeren Zeitraum geschieht, als der Körper es eigentlich machen würde, dann wird man irgendwann seines Kreislaufs nicht mehr Herr."
Besonders brisant wird es, wenn es sich dabei um Pillen handelt, die die Wirkstoffe in besonders hohen Dosierungen enthalten. Im Fall des verstorbenen Mädchens in Altentreptow soll es sich um die Ecstasy-Version "Blue Punisher" gehandelt haben. Das Kind war an den Folgen der Drogen-Wirkung gestorben.
"'Blue Punisher ist für niemanden gedacht"
Die Wirkung trete nach etwa 15 Minuten ein, das Maximum klinge nach etwa ein bis zwei Stunden ab. Darauf hätten aber mehrere Faktoren Einfluss, sagt Rücker: Die persönliche Konstitution oder auch, was man zuvor gegessen hat. "Die Pillen sorgen dafür, dass der Kreislauf angeregt wird, dass das Hungergefühl gestoppt wird, dass die Leistungsfähigkeit heraufgesetzt wird, dass Euphorie passiert", sagt Rücker über "Blue Punisher" und macht klar: "Diese Dosierung ist nicht gedacht für Kinder, nicht für Jugendliche, sie ist für niemanden gedacht."
Dabei ist es zum Beispiel für Eltern kaum wahrzunehmen, ob jemand Ecstasy genommen hat. Das sei den Konsumenten oft nicht anzumerken: "Das ist die Tücke dieser Pille." Wenn Eltern aber feststellen, dass ihr Kind Drogen konsumiert, dann müsse mit Hilfe einer Therapie die Ursache dafür gefunden werden.
"Wir haben jegliches Maß im Umgang mit Alkohol verloren"
Grundsätzlich sollten Eltern beherzigen, auch bei diesem sehr ernsten Thema ein Gespräch auf Augenhöhe zu führen, sagt der Psychologe Chris Fuchs aus Bad Doberan im Interview mit NDR 1 Radio MV. Erst recht, wenn der Verdacht besteht, dass der Nachwuchs Drogen nimmt. "Grundlage muss ein Angebot für eine Aufklärung sein", sagt Fuchs, "auch, dass keine pauschalen Anklagen oder Belehrungen geäußert werden." Wichtig sei einerseits, das Kind zu stärken, vor allem aber auch die Vorbildfunktion, die Eltern haben. Wer erreichen wolle, dass seine Kinder Dorgen abgeneigt sind, müsse genau dieses Verhalten auch vorleben.
Medizinier Rücker stimmt zu und fordert einen grundsätzlich anderen Umgang mit Drogen, angefangen beim Thema Alkohol: "Wir haben jegliches Maß verloren, was ein Rausch bedeutet, was ein Genussmittel ist, wo die Grenzen sind, weil wir das über viele Jahre überhaupt nicht beachtet haben." Wenn in MV schon Zwölfjährige Alkohol konsumieren würden, sei klar, dass sich auch andere Drogen vergesellschaften.
Seit der Coronapandemie hätten sich die Vertriebswege für Drogen wie Ecstasy professionalisiert. Rücker schätzt, dass Ermittler und Behörden keine Chance haben, den Drogenfluss entscheidend zu unterbinden.