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"Ich weiß nicht, wen ich wählen soll" - Entscheidung über Merkels Erbe

Stand: 16.02.2025 14:27 Uhr

Achtmal hat Angela Merkel für die CDU den Wahlkreis 15 gewonnen. Nach ihrem politischen Rückzug holte 2021 die SPD die meisten Stimmen an der Ostsee. Doch die Stimmung hat sich gedreht.

Ende Januar wird die SPD-Politikerin Anna Kassautzki in Greifswald mit Eiern beworfen. Bei der Bundestagswahl im September 2021 gelang ihr noch ein politischer Paukenschlag. Die damals 27-Jährige holte das Direktmandat im Ostsee-Wahlkreis mit der Nummer 15 und beerbte damit keine Geringere als Ex-Kanzlerin Angela Merkel. Im Februar 2025 spürt die SPD-Politikerin, wie sich die Stimmung seit der vergangenen Wahl verändert hat. "Mir bereitet Sorge, wie sich eine gesellschaftliche Stimmung entwickelt, wie Menschen miteinander umgehen. Wenn ich aufhöre, Menschen als Menschen zu sehen, dann wird es gefährlich", sagt Kassautzki. Aufgeben will sie nicht, auch wenn Umfragen die AfD und die CDU im Februar 2025 weit vor der SPD sehen. Ihr Anspruch sei es, das Direktmandat zu verteidigen. 

Viel Tourismus – niedrige Löhne

Der Wahlkreis Vorpommern-Rügen-Greifswald I Iiegt im Nordosten Deutschlands. Neben den beiden alten Hansestädten Stralsund und Greifswald gehört auch die Insel Rügen mit ihrer imposanten Steilküste und den breiten Stränden dazu. Tourismus ist hier der Hauptwirtschaftszweig: 7,9 Millionen Übernachtungen zählte die Insel im vergangenen Jahr. Vielen der 65.000 Rügener ist das zu viel.

Zu viel Bürokratie, Sorge um den Arbeitsplatz

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Wahlkarte mit Wahlkreuz wird in eine Wahlurne gesteckt, dahinter eine Deutschlandflagge (Bildmontage) © Fotolia.com Foto: mozZz, niyazz

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Menschen auf Rügen wollen Veränderung - und hoffen doch, dass vieles so bleibt wie es ist: Fischer Silvio Mundt liegt mit seinem Kutter im Hafen von Sassnitz. Der 43-Jährige bangt um die Zukunft seines Berufs. Auflagen, niedrige Fangquoten und Robben, die ihnen Fisch wegfressen und ihre Netze zerstören. Um die Fischbestände zu schonen, zahlen EU, Bund und Land ihm sogenannte Stillliegeprämien. Mundt ächzt unter zu viel Bürokratie. "Die machen sowieso, was sie wollen, die mit ihren Ausgleichszahlungen. Es kann ja nicht sein, dass wir, weil die Haushaltsausschüsse oder die Behörden nicht in der Lage sind, rechtzeitig einen Stempel unterzusetzen oder das zu bearbeiten, jetzt im Jahr 2025 erst das Geld von 2024 kriegen." Vielen fällt die Wahlentscheidung bei dieser Bundestagswahl schwer. "Ich weiß nicht, wen ich wählen soll, und ich weiß auch nicht, ob ich überhaupt wählen gehe. Die streiten sich da wie im Kindergarten", sagt die Rügenerin Elke Schlüter mit Blick auf die hitzig geführten Debatten im Bundestag. Ihr Mann Thomas hat seine Wahlentscheidung bereits getroffen. Er wolle die AfD wählen. "Die stehen dafür, was ich gerne möchte." 

Bezahlbarer Wohnraum fehlt

Bezahlbarer Wohnraum, niedrige Renten und das LNG-Terminal - das sind Themen, die die Menschen auf der Insel bewegen. Hier die prachtvollen Villen an den Strandpromenaden, dort das bescheidene Hinterland mit Mieten, die für jene bezahlbar sind, die die Maschinerie Tourismus am Laufen halten. Doch dieser bezahlbare Wohnraum ist knapp. "Angesichts der Fülle an Objekten, die wir mittlerweile haben, sollte der Ansatz der sein, dass es ausreicht. Nach meinem Erkenntnisstand will man auf Rügen auch nicht eine Ferienwohnung mehr haben. Man braucht Wohnungen für Einheimische, um den Qualitätsstandard, den wir im Tourismus haben, in den nächsten Jahren auch zu sichern", sagt der Co-Vorsitzende des Tourismusverbandes Rügen e.V. Andreas Heilmann. 

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Der Wahlkreis Vorpommern-Rügen-Greifswald © NDR Foto: NDR

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Löhne weit unter bundesdeutschem Durchschnitt

Die Löhne auf der Insel sind niedrig. Rund 70 Prozent der Erwerbstätigen hier leben direkt oder indirekt vom Tourismus. Laut Bundesagentur für Arbeit liegt der Durchschnittslohn im Landkreis bei 2.900 Euro brutto - knapp 1.000 Euro weniger als der Bundesschnitt und noch 400 Euro unter dem ostdeutschen Durchschnitt. Große Werften und Industriebetriebe gibt es hier nicht mehr. Kleine und mittelständische Unternehmen kämpfen mit hohen Energiepreisen, komplizierten Steuerregelungen, fordern einen schlanken Staat und beklagen zu viel Bürokratie. "Wir alle machen uns Sorgen um den Standort Deutschland. In der Wahrnehmung vieler Unternehmen hat die Politik versagt", sagt der Präsident der IHK zu Rostock, Klaus-Jürgen Strupp. Bei einem IHK-Forum fordern Unternehmer Antworten von den Direktkandidaten aller Parteien für die Bundestagswahl. CDU-Kandidat Georg Günther gibt sich kämpferisch. Bei den Steuergesetzen müsse man nicht die Schere, sondern die Motorsäge ansetzen. Dafür wolle er sich einsetzen. AfD-Kandidat Dario Seifert sieht Einsparpotenzial bei der Entwicklungshilfe, bei der Migration, bei der Förderung der Erneuerbaren Energien. Dafür gibt es Applaus von den Unternehmern. 

Aufgeben ist keine Option

Ein Streitthema auf der Insel ist das LNG-Terminal in Mukran. Thomas Kunstmann lebt erst seit fünf Jahren auf der Insel. Er findet die neue Industrieanlage unnötig und das hat ihn politisiert. Von dem Vorgehen der Bundesregierung, die das Terminal gegen die Menschen auf der Insel durchgedrückt habe, ist er enttäuscht. Einen wirklichen Dialog habe es nicht gegeben, kritisiert er. Aufgeben will er nicht. Er hat klare Erwartungen an die neue Bundesregierung. "Das LNG-Terminal bleibt ein heißes Eisen, auch nach der Bundestagswahl und für das neue Bundesparlament. Wir werden dafür sorgen, dass sich die neuen Bundestagsabgeordneten damit befassen müssen.“

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 16.02.2025 | 19:30 Uhr

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