Hohe finanzielle Verluste: Güstrow will gegen Zensus klagen

Stand: 29.10.2024 14:59 Uhr

Laut Zensus leben in Güstrow 1.000 Einwohner weniger, als das Einwohnermeldeamt registriert hat. Für die Stadt bedeutet das hohe Verluste beim Finanzausgleich des Landes.

Die Stadt Güstrow will gegen den Bescheid des Zensus aus dem Jahr 2022 Klage einreichen, um finanzielle Einbuße zu verhindern. Denn nach der Volkszählung sollen etwa 1.000 Einwohner weniger in Güstrow leben, als beim Einwohnermeldeamt registriert sind. Nach Aussage von Bürgermeister Arne Schuldt (parteilos) würde Güstrow dadurch für das Jahr 2024 rund 284.000 Euro weniger als Finanzausgleich vom Land erhalten. Bis zum nächsten Zensus befürchte die Stadt Millionenverluste.

Nicht alle Bürger für Zensus befragt

Der gesetzlich angeordnete Zensus ermittelt, wie viele Menschen in Deutschland leben, wie sie wohnen und arbeiten. Stichtag der aktuellen Zahlen war der 15. Mai 2022. Für die umfangreiche Statistik wurden nicht wie bei einer klassischen Volkszählung alle Bürgerinnen und Bürger befragt. Stattdessen hat das Statistische Bundesamt zunächst auf Daten aus den Verwaltungsregistern zugegriffen, zum Beispiel auf die Melderegister der Kommunen.

Bürgermeister sieht Stichprobe als Fehlerquelle

Zusätzlich prüfen sogenannte Erhebungsbeauftragte mit maximal drei Hausbesuchen bei einem Teil der Einwohner, ob diese an der gemeldeten Adresse wohnen. Darin sieht Güstrows Bürgermeister die Fehlerquelle: "Dieses dreimal Klingeln ist ja an drei Tagen, aber wenn man immer um 9 Uhr zu einer normalen Geschäftszeit kommt, ja dann trifft man die nicht an. Und die haben auch nicht die Nachbarn gefragt, ob da jemand wohnt. Die haben geklingelt und da war halt keiner." Wenn diese Einwohner sich nicht selbst an die Erhebungsstelle wenden, gelten sie als nicht existent.

Stralsund geht ebenfalls gegen Bescheid vor

Auch der Städte- und Gemeindetag als kommunaler Spitzenverband der Städte und Gemeinden im Land Mecklenburg-Vorpommern vermutet nach eigenen Angaben, dass die Erfassung des Zensus fehlerhaft ist. Vor Güstrow hatte Stralsund bereits angekündigt, gegen den Bescheid vorzugehen. Das Land bekommt durch das Ergebnis bis zum Jahr 2028 etwa eine Milliarde Euro weniger vom Bund. Das Finanz- und das Innenministerium teilten mit, dass sie keinen Grund sehen, an dem Ergebnis zu zweifeln.

Warum gibt es den Zensus?

Der Zensus ermittelt Daten, die als Grundlage für politische Planungen und Entscheidungen in Deutschland dienen sollen. Die Daten - zum Beispiel zur Alterung der Bevölkerung, zum Energieträger der Heizungen und zum Leerstand von Wohnungen - können der Politik Hinweise geben, in welchen Bereichen der Staat für seine Bürgerinnen und Bürger mehr investieren sollte - zum Beispiel bei Fragen wie: Gibt es ausreichend Wohnraum, Schulen oder Studienplätze? Der Zensus bildet keine individuellen Lebensverhältnisse oder Einstellungen einzelner Personen in der Bevölkerung ab. Ziel ist vielmehr, auf Basis der allgemeinen Daten Entwicklungen festzustellen und bedarfsgerecht planen zu können.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 29.10.2024 | 17:10 Uhr

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