Kita im Altersheim: Spielend voneinander lernen
Dass Kinder in einer Familie leben, ist normal. Dass auch alte Menschen im Haushalt leben, wird immer seltener. Deswegen gibt es kaum noch Begegnungen zwischen den Generationen. Anders in Stralsund: Dort haben die Verantwortlichen eine Kita mitten ins Altersheim gebaut, wie die "NDR Info Perspektiven" berichten.
Merle und Aiden stapfen durchs Wasser, Frau Kramer und Herr Peter hinterher. Frau Kramer ist 96, Herr Peter 88 Jahre alt. Gemeinsam kneippen sie in der Kita Sundwelle in Stralsund. Schon morgens werden die "Omis und Opis" im Morgenkreis mit einem Lied begrüßt. Omis und Opis sind die älteren Herrschaften aus dem Sozialzentrum "Am Grünhufer Bogen". Dazu gehören mehrere Pflegeheime, ein Pflegehotel und ein Hospiz. Begegnung zwischen Jung und Alt findet hier jeden Tag statt. Ella, Frieda und Finja, alle fünf Jahre alt, berichten aus ihrem Alltag: "Wir spielen oft auf dem Spielplatz und manchmal gehen wir auch in den Tierpark." Das tägliche Singen gehört sowieso dazu und einmal habe eine der Seniorinnen sogar einen wackeligen Zahn ziehen müssen.
Kinder kennen keine Berührungsängste
Annett Mülling ist Geschäftsführerin der Wohlfahrtseinrichtung Stralsund, dem Träger der Heime, und ist überzeugt von dem Konzept: "Alt und Jung passt ja gut zusammen. Generationsübergreifendes Arbeiten ist eine gute Sache und unsere Mitarbeiter können ihre Kinder hier unterbringen", fasst sie ganz praktisch zusammen. Zudem gebe es in der Region wenige junge Menschen. Für die Älteren habe die Nähe zu den Kindern auch einen heilsamen Effekt: "Sie vergessen im Zusammensein mit den Kleinen ihren harten Alltag und ihre Leiden. Die Kinder hingegen haben überhaupt keine Scheu vor älteren oder behinderten Menschen, weil sie es nicht anders kennen." Manche Eltern wählen die Einrichtung genau deswegen aus.
Eine Bereicherung für beide Seiten
Auch Basteln gehört zum Programm der Einrichtung. Gerade sind es Eulen, Spinnen und herbstliche Deko. Einige ältere Damen sitzen dabei an einem großen Tisch und haben ein Kind auf dem Schoß. Ein paar Kinder wuseln auch im Raum herum. Es ist laut. Der 86-jährigen Gisela Kumbier macht das nichts aus. Sie bastelt gerade mit einem kleinen Jungen eine Raupe: "Wir sind ja alle schon ein bisschen schwerhörig und da können die Kinder ruhig laut sein." Edith Beda klebt derweil mit einer Heißklebepistole Augen auf einen Tannenzapfen. Sie ist 90 Jahre alt: "Ich habe auch drei Kinder gehabt. Da hatte ich aber nicht so viel Zeit. Jetzt habe ich Zeit und mache es wirklich gerne - so, wie ich es noch kann."
Werte vermitteln im alltäglichen Miteinander
Das Motto der Einrichtungen ist "Gemeinsam voneinander leben lernen". Die Alten bringen Lebenserfahrung und Ruhe mit, die Kinder Lebensfreude und Wissensdurst. Der Geschäftsführer des Kitaträgers Institut Lernen und Leben, Sergio Achilles, weiß über die Vorgaben Bescheid: "Nach dem Kinder-Tagesförderungsgesetz ist unsere Aufgabe, die Kinder auf die Schule vorzubereiten." Sein Augenmerk liegt aber auch auf ganz anderen Themen: Achtung, Respekt, die Art miteinander zu sprechen und Strategien zur Konfliktlösung sind für ihn entscheidend. Das könne man nicht nur unter Gleichaltrigen lernen. Während die Kleinen hier viel von der Lebenserfahrung der Alten profitierten, wirkten die Kinder wie ein Jungbrunnen für die alten Leute.
Das Konzept vereint mehrere Pflegeheime, ein Hospiz und zwei Kitas auf einem Campus. Weil es am Grünhufer Bogen in Stralsund so gut klappt, hat das Institut Lernen und Leben bei Rostock eine weitere Kita im Pflegeheim eröffnet - für Alt und Jung zusammen.