Fischfang-Revolution mit der "U-Boot-Reuse"
Ein Fischer und ein Wissenschaftler testen vor Rügen eine neu entwickelte Reuse. Sie soll einen nachhaltigen und robbenfreundlichen Fischfang ermöglichen.
Jan Kuka ist einer der letzten seiner Art. Der Fischer von der Halbinsel Ummanz auf Rügen besteigt morgens kurz vor acht Uhr sein kleines Motorboot. Die Sonne scheint ihm ins Genick. "Ein schöner Tag für einen guten Fang", meint er. Sein Beifahrer nickt: Dr. Daniel Stepputtis vom Thünen-Institut für Ostseefischerei in Rostock. Gemeinsam wollen sie den Fischfang wieder salonfähig machen. "Ökologisch und nachhaltig", nennt das Dr. Stepputtis. Ihr Ziel liegt nur 500 Meter entfernt: eine Reuse im zwei Meter flachen Boddenwasser. Rote Fähnchen markieren die Stelle. Zu sehen ist aber erst einmal nichts außer zwei seltsamen Schläuchen an der Wasseroberfläche. Die schließt der Fischer an den Bord-Kompressor an.
"Wie ein Freiluftaquarium"
"Und jetzt achtet mal auf das Schauspiel. Gleich kommt mein Reusen-Fahrstuhl aus dem Wasser", übertönt Kuka das Kompressorgeräusch. Innerhalb von zwei Minuten drückt sich ein großer Fangkorb wie ein U-Boot aus dem Wasser: sechs Meter lang, zwei Meter breit, 1,80 Meter hoch. Er steht auf zwei Luftschläuchen. Wie ein aufblasbarer Katamaran. Drinnen zappelt es sichtbar: Der Fang! "Die Fische werden ganz natürlich angelockt. Sie landen in einem 100 Meter langen Stellnetz, das wie eine Wand wirkt.“ An dieser Wand schwimmen sie immer weiter bis sie in den Fangkorb gelangen. "Der ist dann das natürliche Habitat. Wie ein Freiluftaquarium", erklärt Dr. Stepputtis. Seitlich setzt das Fischerboot an einem riesigen Reißverschluss an. Dr. Stepputtis öffnet ihn und greift mit dem Kescher in den Fangkorb: Fünf Sechs-Pfund-Hechte, dazu eine stattliche Anzahl Hornhechte.
Zu eng für eine Robbe
"Und alle in der richtigen Größe. Kein Beifang, keine kleinen Fische, die sich verfangen haben. Die kleinen Vertreter schwimmen einfach durch das Netz hindurch. Hier an Bord sind dann nur die wirklich verwertbaren", so der Wissenschaftler. Drei Jahre hat er an dem Netz geforscht, die Reusengröße verändert, den Käfig angepasst und immer wieder kontrolliert, was dem Fischer ins Netz gegangen ist. 20.000 Euro Entwicklungskosten stecken in dem U-Boot-Netz. Verfängt sich doch mal ein kleiner Kiemenvertreter, wird er von Jan Kuka persönlich ins Wasser begleitet. "Das ist alles Fischerei per Hand. Wir leben davon und freuen uns, wenn es den Tieren gut geht und sie wachsen." Aber wie sieht es mit den Räubern aus, die dem Fischer das Leben schwer machen können? "Da haben sich die Wissenschaftler ordentlich was einfallen lassen. Der Durchgang, an dem die Fische in die Fangkammer gelangen, ist verengt. Keine Robbe verirrt sich da hinein.“ Und oben schützt das Netz gegen Komorane.
Ohne Kühlkette ins Fischrestaurant
Für den Berufsfischer sind es schwierige Zeiten. Die Fangqquoten für Hering wurden von 2017 bis 2021 um 94 Prozent gesenkt. "2022 durfte ich gar keine Heringe mehr fangen, auch keinen Dorsch", rechnet Kuka vor. Die Entwicklung einer nachhaltigen Fangreuse ist für ihn also eine gute Idee. Wissenschaftler Stepputtis fasst es so zusammen: "Wir brauchen eine ökologisch sinnvolle Koexistenz von Fischen, Fischern und den Robben. Und dieses Netzsystem ist ein Schritt in die richtige Richtung." Jan Kuka nickt. Mit seiner Ausbeute ist er sehr zufrieden . "Jetzt aber schnell, den Fang an Land und ab damit ins Fischrestaurant in Gingst. In einer Stunde brutzelt das Filet in der Pfanne." Keine Kühlkette über tausende von Kilometern. Fisch aus der Region: "Umwelttechnisch nicht zu schlagen, gesund und echt lecker“, versichert der U-Boot-Reusenfischer.