Nordex: Windkraft-Ausbau in Serbien - made in MV

Stand: 31.07.2024 09:20 Uhr

Die südosteuropäischen EU-Beitrittskandidaten haben zur Aufholjagd bei der Energiewende angesetzt. Vorreiter ist Serbien, das weg von der Kohleverstromung will. In den vergangenen Jahren wurden per Auktion mehrere Windparks ausgeschrieben. Dabei hat sich der Windturbinenhersteller Nordex durchgesetzt. Das sichert Jobs im Rostocker Stammwerk.   

von Martin Möller

Beim Städtchen Golubac am Beginn des Eisernen Tores ist die Donau noch breit wie der Schweriner See und fließt träge dahin. Aber hinter der mittelalterlichen Festung verengt sich der Fluss dann plötzlich auf nur noch knapp 200 Meter. Links und rechts ragen steile Felswände in die Höhe. Darüber drehen sich riesige Windräder, mitten in einer der spektakulärsten Flusslandschaften Europas. Der Pickup von Stefan Nešić und Nikola Dubić quält sich die breite Schotterstraße den Berg hinauf. Ziel ist ein Plateau, das gut 400 Meter über der Donau liegt. Während der Fluss immer kleiner wird, tauchen nach und nach immer mehr Windräder auf.

Windpark Krivača - Nordex' Einstieg in den Balkan-Markt

Der Windpark Krivača erstreckt sich über gut 242 Hektar und zählt 22 Anlagen. Das unwegsame Gelände erschließen gut 30 Kilometer Straßen, die quer durch die bewaldete Mittelgebirgslandschaft führen und Stefan Nešić und Nikola Dubić die Arbeit erleichtern. Die durchtrainierten jungen Männer sind Servicetechniker bei Nordex. Sie stoppen an einer der Anlagen, legen ihre Sicherheitsausrüstung an. "Die Straßen sind so breit, weil sie eine hohe Tragfähigkeit brauchen, weil die schweren und sperrigen Komponenten mit Tiefladern vom Fluss hier hochgebracht werden mussten - Türme, Gondeln, Getriebe und die Rotorblätter", so Stefan Nešić.

Kein Widerstand gegen den Windpark

Serbien und Rumänien sind Vorreiter, was regenative Energien angeht. Die 100 Kilometer flussabwärts gelegenen Donau-Flusskraftwerke "Eisernes Tor 1 und 2" liefern seit einem halben Jahrhundert zuverlässig gut 2.800 Megawatt sauberen Strom. Das entspricht in etwa der Leistung von zwei Atomkraftwerken. Trotzdem ist Serbien noch zu 70 Prozent von der Kohleverstromung abhängig, berichtet Vladimir Kolarević, Geschäftsführer von Nordex Serbia, der mit seinem Skoda Combi auf das Plateau gekommen ist.

Die Aussicht reicht viele Kilometer über die Flusslandschaft, bis nach Vinci, der größten Ferienhaussiedlung Serbiens. Trotzdem gab es keinen Widerstand. "Die Kohleverstromung verursacht große Luftverschmutzungen und deshalb ist Windkraft hier sehr willkommen," erklärt der Manager. Insgesamt 165 Millionen Euro hat der Windpark private Investoren gekostet. Er liefert maximal 110 Megawatt und kann gut 75.000 Haushalte versorgen. Am 15. Mai war die große Einweihungszeremonie mit dem serbischen Premierminister. Der Windpark Krivača wurde als Aufbruch in eine neue Zeit gefeiert.

Werkschließung in Rostock wegen Kostendrucks

Als die ersten Planungen für das Projekt begannen, sorgte Nordex hierzulande allerdings für negative Schlagzeilen. Im Mai 2022 kündigte das Unternehmen an, dass es seine Rostocker Rotorblattproduktion dichtmacht. Beim größten Industrieunternehmen in Mecklenburg-Vorpommern gingen anschließend 500 Arbeitsplätze verloren. Der globale Kostendruck sei hoch, das Flügel-Werk wegen hoher Löhne nicht wettbewerbsfähig, hieß es damals vom Management. Mit der Nordex-Rotorblattproduktion verschwand auch die letzte Fabrik ihrer Art in Deutschland.

Deshalb mussten die Rotorblätter für den Krivača-Windpark über das Schwarze Meer und die Donau aus der Türkei und Indien angeliefert werden. Aus der Gegenrichtung, auch über die Donau, kamen Naben, Gondeln, Getriebestränge, Generatoren und Schaltschränke. Vieles davon wurde im Nordex-Stammwerk in der Rostocker Südstadt produziert, wo gut 800 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt sind. Auch in den Hallen der ehemaligen Rotorfabrik, am östlichen Stadtrand herrscht wieder Betrieb. Hier werden mittlerweile Prototypen gefertigt, zusammen mit dem Fraunhofer-Institut neue Technologien und Produktionstechniken erprobt.

Erdacht, erprobt und gefertigt in Mecklenburg-Vorpommern

Der Innovationsdruck in der Branche ist hoch, der internationale Wettbewerb knallhart. Standorte wie am Eisernen Tor sind zudem besonders anspruchsvoll. Der Wind dreht häufig und weht sehr unstetig. Genau für solche Bedingungen sind die Turbinen der Delta4000-Plattform entwickelt worden. "Sie bietet eine hohe Effizienz und Anpassungsfähigkeit an verschiedene Windbedingungen. Darüber hinaus spielen die Servicequalität und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen eine wichtige Rolle bei der Auswahl eines Turbinenlieferanten," erläutert Felix Losada von der Nordex-Unternehmenskommunikation. Und natürlich müssen die Anlagen jahrzehntelang möglichst zuverlässig laufen. In Serbien gibt es keine Einspeisevergütung für Windstrom. Die produzierte Energie wird auf dem freien Markt verkauft. Stillstand bedeutet Verdienstausfall.

Servicevertrag für 25 Jahre

Nordex ist auch für Service und Wartung der 22 Anlagen verantwortlich, der Vertrag läuft 25 Jahre. Per Handy und Fernsteuerung stoppen Stefan Nešić und Nikola Dubić die Anlage, die gewartet werden muss. In voller Sicherheitsausrüstung - mit Helm, Karabinern und Gurten - zwängen sie sich in den winzigen Fahrstuhl. Gut fünf Minuten dauert die Fahrt im engen Turm bis in 105 Meter Höhe. Das Turbinenhaus ist überraschend geräumig, hat in etwa die Größe einer Doppelgarage. Hier oben ist der Laptop wichtiger als Zange oder Akkuschrauber. Der Status der Anlage wird abgefragt und Updates installiert. Zurzeit besteht das Nordex-Serviceteam aus 13 Technikern, alle hochqualifiziert mit Hochschulabschlüssen. Neue Kollegen werden schon gesucht, denn der zweite Nordex Windpark in Serbien ist bereits in Bau und ein dritter in Planung.

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Fachkräftemangel: Bei Nordex Serbia kein Thema

Vladimir Kolarević macht sich keine so großen Sorgen um Fachkräfte. "Sicherheit und Weiterbildung stehen bei uns an erster Stelle. Das ist nicht überall in Serbien so. Deshalb kommen die jungen Leute zu Nordex und bleiben", so der Geschäftsführer von Nordex Serbia, der am Fuß des Anlagenturms auf sein Serviceteam wartet. Oben machen die beiden nochmal die Dachluke der Gondel auf. Gut 500 Höhenmeter unter ihnen liegt die weite Flusslandschaft der Donau. "Krivača ist ganz sicher der Windpark mit der besten Aussicht in ganz Serbien," schwärmt Nikola Dubić, als die beiden die Treppe am Turmeingang herunterkommen. Für die Nordex-Mutter in Deutschland ist Krivača vor allem auch der hoffnungsvolle Einstieg in den vielversprechenden Balkan-Markt und die 22 Windturbinen sind natürlich auch Botschafter für German Engineering - Made in Mecklenburg-Vorpommern.

Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 31.07.2024 | 19:30 Uhr

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