Einzigartig in MV: Sanddornfinger-Spinne wiederentdeckt
Er hat lange im Verborgenen gelebt, nun wurde er nach 23 Jahren wiederentdeckt - der Sanddornfinger. Die Spinnenart wurde in Deutschland bisher nur in Mecklenburg-Vorpommern nachgewiesen.
Zu Besuch bei Dr. Dieter Martin in Untergöhren bei Malchow: Unter einem Mikroskop begutachtet er ein Reagenzglas mit einer kleinen, gelblichen Spinne. Es ist ein Sanddornfinger. Dieter Martin ist einer der führenden Spinnenexperten in Mecklenburg-Vorpommern. Bei ihm landen alle gefundenen Spinnen im Land zur Bestimmung auf dem Labortisch. Der Sanddornfinger wurde in einer in den Boden eingelassenen Becherfalle in der Altwarper Binnendüne nahe der Odermündung in die Ostsee gefunden.
"Es ist eine wärmeliebende Art, die auch Trockenheit erträgt, deswegen vor allem in Südosteuropa lebt. Sie baut keine Netze, sondern sie geht so auf Jagd, also freihändig sozusagen. Aber sie hat einen festen Unterschlupf, einen Beutel, den sie selbst gesponnen hat und in dem sie dann sitzt. Ich muss aber gestehen, ich habe noch nie einen Sanddornfinger lebend gesehen", erzählt Martin.
Unbekannter Sanddornfinger
Dieter Martin hatte als Kind große Angst vor Spinnen, hat diese dann aber während seines Biologiestudiums abgelegt. Mittlerweile sind Spinnen die große Leidenschaft des Pensionärs. "Für mich sind es die faszinierendsten Tiere, die wir haben. Spinnen sind zum großen Teil sehr prachtvolle Tiere, sehr vielfältig in der Form, der Farbe und auch im Verhalten. Es gibt bundesweit sehr wenige Spinnenforscher, also dort kann noch sehr viel getan werden." Dieter Martin hat inzwischen schon mehrere Bücher über Spinnen geschrieben. Im Nordosten sind bisher etwa 620 Arten nachgewiesen worden. Darunter sind insgesamt acht Dornfingerarten.
Mit am seltensten gefunden - und damit auch noch sehr unbekannt - ist der Sanddornfinger. Er misst nur etwa einen Zentimeter, hat dornige Beine, ist sandfarben und dadurch in seinem Lebensumfeld gut getarnt. Auffallend sind nur seine Wohngespinste. "Es gibt eine ganze Reihe von Spinnenarten, die an sehr extremen Standorten leben. Wie zum Beispiel der Sanddornfinger eben auf Binnendünen. In diesen Flächen haben nicht so viele Leute geguckt und deswegen ist der auch selten gefunden worden. Ich glaube, wenn wir weitere Binnendünen untersuchen, wo wir gerade dabei sind, werden wir vielleicht den Sanddornfinger nochmal irgendwo finden", vermutet der Experte.
Intensive Spinnenforschung in MV
Mecklenburg-Vorpommern ist eines der Bundesländer, in dem am intensivsten zu Spinnen geforscht wird. Es gibt ein Spinnen-Fangprogramm, ein Forschungsschwerpunkt sind Sanddünen, sowie Trockenrasen- und Heideflächen. Dort werden Bodenfallen, also Fangbecher eingegraben, die mit einer konzentrierten Kochsalzlösung gefüllt werden. Die Tiere fallen in diese Becher, werden erst durch die Kochsalzlösung konserviert und später in Reagenzgläser mit Alkohol getan. Martin: "Dann kommen die Tiere zu mir und ich kann sie unter dem Mikroskop bestimmen. Es werden sehr, sehr viele Spinnen gefangen. Aber solche Besonderheiten, solche Neunachweise wie der Sanddornfinger sind natürlich sehr selten und deshalb etwas ganz Besonderes."
Die Meinung, dass durch solche Fangmethoden Tierarten dezimiert werden, kann Dieter Martin nicht nachvollziehen. Im Gegenteil - die Forschung liefere einen Überblick über die Artenvielfalt und auch die besonders gefährdeten Arten. Daraus könnten Rückschlüsse für den Naturschutz und die Landschaftspflege gezogen werden, so Martin.
Weniger Spinnen durch Klimawandel
Für den Forscher steht fest, es gibt keine Konstanz in der Natur. Davon sind auch die Spinnen betroffen. Aktuell sind für Dieter Martin zwei Faktoren entscheidend. Durch das Insektensterben verlieren besonders Spinnen ihre Nahrungsgrundlage, deshalb sind zum Beispiel einige Kreuzspinnenarten deutlich seltener zu finden als früher. Der zweite wichtige Einflussfaktor ist der Klimawandel. "Arten kommen, Arten gehen, das ist völlig logisch. Aber durch den Klimawandel sind bestimmte Prozesse doch beschleunigt oder sogar erst in Gang gesetzt worden.
Es gibt eine ganze Reihe von Arten, die neu einwandern, weil es bei uns immer wärmer und trockener wird. Und solche Einwanderer haben wir in den letzten Jahrzehnten doch eine ganze Menge gehabt." Um da den Überblick zu behalten, helfen in Mecklenburg-Vorpommern etwa 30 Enthusiasten bei der Spinnenforschung. Nur einen Nachfolger für Dieter Martin, der ehrenamtlich die gefangenen Spinnen bestimmt, den gibt es bisher noch nicht.