Sendedatum: 11.09.2018 21:15 Uhr

Die dubiosen Geschäfte des Alois B.

von Esra Oezer, Kaveh Kooroshy und Thomas Kasper

Die Masche scheint ziemlich dreist: Ein Geschäftsmann soll immer wieder Geld beiseite geschafft haben, auch Steuergeld. Immer wieder wird Anzeige gegen ihn erstattet, es wird auch ermittelt. Aber es bleiben Einzelfälle: niemand setzt die Puzzelstücke zusammen. Keiner sieht, dass da möglicherweise ein Serientäter unterwegs ist.  

VIDEO: Die dubiosen Geschäfte des Alois B. (8 Min)

In Strasburg, in Mecklenburg-Vorpommern, sucht Dirk Lange für seine Pizzeria einen Betreiber. Es meldet sich ein Alois B. Der hat große Pläne für das Restaurant, erzählt Lange: "Daraufhin haben wir ihn eingeladen und wollten uns das einfach mal live anhören. Der Mann war charismatisch, hat uns überzeugt, wir haben geglaubt: Jawohl, das ist das Konzept. Das brauchen wir hier in Strasburg."

Dirk Lange © NDR Foto: Screenshot
War von dem Konzept für seine Pizzeria in Strasburg überzeugt: Dirk Lange.

Zusätzlich vermietet Lange an Alois B. zwei seiner Wohnungen. Die ersten Mieten kommen pünktlich. Doch irgendwann gibt es gar kein Geld mehr. Inzwischen ist Dirk Lange auf 11.000 Euro sitzen geblieben.

Gleiche Masche im großen Stil

Das gleiche Bild zeigt sich in dem wenige hundert Meter entfernten Restaurant "Zeitlos". Alois B. mietet auch das. Das Geschäft läuft gut, doch irgendwann bezahlt er keine Pacht mehr. Auch die Angestellten werden für ihre Arbeit nicht mehr bezahlt. Der Lohnausfall hat Madleen Musial an den Rand des Ruins gebracht. "Ich hänge heute noch mit meinen Rechnungen hinterher. Versuche mit meinem bisschen Hartz IV noch meine Rechnungen zu bezahlen. Bis heute bin ich nicht fertig."

Madleen Musial © NDR Foto: Screenshot
Hat bis heute mit den Folgen des nicht bezahlten Lohns zu kämpfen: Madleen Musial.

Alois B. wendete diese Masche offenbar in großem Stil an: Er mietet Restaurants oder Hotels in ganz Deutschland, stellt Leute ein, bestellt Waren. Die Einnahmen behält er für sich, so die ehemaligen Angestellten. Warenlieferanten, Vermieter und Angestellte bezahlt Alois. B. nicht, erzählen sie. Alle bleiben mit Wut, Enttäuschung und einem finanziellen Schaden zurück. Mehrere Hunderttausend Euro Schaden soll der mutmaßliche Serienbetrüger so in ganz Deutschland verursacht haben.

Geld für Betreuung schutzbedürftige Kinder unzweckmäßig eingesetzt

Den Behörden ist Alois B. bereits aufgefallen. Er soll nach Aussagen mehrerer ehemaliger Angestellter mit seinen Firmen die Betreuung für schutzbedürftige Kinder und Jugendliche in freier Trägerschaft übernommen haben. Dafür habe er von Jugendämtern Geld kassiert, dieses aber nur zum Teil zweckgemäß eingesetzt. Mehrere Erzieher und Sozialarbeiter berichten, sie hätten monatelang keinen Lohn erhalten. Es gäbe Außenstände bei Sozialversicherungen und Vermietern. Außerdem sei zumindest in einer Einrichtung das Geld für das Essen der Jugendlichen zu knapp bemessen gewesen.

Gemeinsame Recherche mit "exakt" (MDR) und "Kontrovers" (BR)

Das Geschäft mit der Jugendhilfe

Ein Geschäftsmann soll quer durch die Republik Jugendämter um viel Geld betrogen sowie Mieten und Löhne nicht bezahlt haben. Auf der Strecke bleiben dabei die Schwächsten: Kinder und Jugendliche, die eine besondere Betreuung brauchen. Weil Kontrolle und Koordination fehlen! extern

Mehrere Versuche, ein Treffen zwischen dem NDR und Alois B. zu vereinbaren, scheitern, weil B. immer wieder vereinbarte Termine absagt. Schriftlich weist er alle Vorwürfe von sich.

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugsverdachts

Gerd Zeisler von der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg © NDR Foto: Screenshot
Gegen Alois B. wird in verschiedenen Bundesländern wegen Betrugsverdachts ermittelt. Doch vorerst gelte die Unschuldsvermutung, so Gerd Zeisler von der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg.

Die Staatsanwaltschaft in Neubrandenburg ermittelt gegen Alois B. wegen Betrugsverdachts, des Verdachts des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt und wegen des Vorwurfs einer falschen eidesstattlichen Versicherung. Auch Staatsanwaltschaften anderer Bundesländer ermitteln bereits. Solange aber kein Urteil gefällt ist, gelte die Unschuldsvermutung, so Gerd Zeisler von der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg: "Jedenfalls ist es so, dass er auf freiem Fuß ist und sich frei bewegen kann. Es kann nicht sein, dass wir in einem Ermittlungsverfahren, wo wir am Anfang der Prüfung des Verdachtes stehen, jemanden, der nicht schuldig gesprochen ist, quasi vorverurteilen. Wir haben zu ermitteln. Gegebenenfalls anzuklagen. Wenn dann entschieden ist, dann ist die Schuld festgestellt. Vorher nicht."

Der Schaden, den B. seit 2013 verursacht hat, wird auf drei bis fünf Millionen Euro geschätzt.

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 11.09.2018 | 21:15 Uhr

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