Die Schwalbenretterin aus Dämelow
Zurzeit wird die letzte Brut von Rauch- und Mehlschwalben flügge. Aber manchmal fallen oder springen die kleinen Schwalben zu früh aus dem Nest, liegen dann hilflos am Boden. Katrin Hehl aus Dämelow bei Ventschow (Kreis Nordwestmecklenburg) hilft diesen Jungvögeln.
Wenn Katrin Hehl ihr Arbeitszimmer betritt, wird sie lautstark begrüßt: von 20 kleinen Schwalben in einer großen Voliere. Sie sitzen in weichen Boxen auf Kordeln, hocken auf dem Boden und warten ungeduldig auf Futter. Katrin Hehl greift zur Pinzette und bietet den Mini-Schwalben eine Grille an. Denn wenn junge Schwalben das Nest verlassen, werden sie von den Elterntieren noch gefüttert. "Die springen also nicht aus dem Nest und können sofort alles. Sie müssen lernen, Futter zu finden und zu jagen. Das müssen wir simulieren in der Aufzucht. Wir füttern mit der Pinzette und sie lernen, die anzufliegen. Quasi eine erste Jagdübung."
Schwalbenjunge müssen stündlich per Hand gefüttert werden
Ein zeitaufwändiger Job, fast rund um die Uhr. Die kleinen Nestlinge müssen mindestens ein Mal pro Stunde per Hand gefüttert werden. Das schafft Katrin Hehl im Sommer nur mit Hilfe ihrer beiden Töchter. Seit vier Jahren engagiert sich die schlanke Frau mit dem Pferdeschwanz für die Schwalbenjungen. Sie gehört zur "Igelhilfe MV", die sich hier im Land um verletzte Wildtiere kümmert. Die Aufzucht der Minischwalben ist wichtig, denn seit Jahren nimmt laut Naturschutzbund Deutschland (NABU) der Bestand der Schwalben ab. Die Gründe: Es gibt immer weniger Insekten und Nistmöglichkeiten für die nützlichen Vögel.
Aufzucht pro Tier kostet etwa 80 Euro
Alles ehrenamtlich, bis zu 80 Euro kostet die Aufzucht einer kleinen Schwalbe. Die verputzen pro Tier und Tag etwa 100 Heimchen und andere Insekten, die gekauft werden müssen. Alles das finanziert Katrin Hehl privat und über Spenden. "Wir haben viele liebe Menschen, die hilflose Jungschwalben hier abgeben, die dann auch spenden. Aber grundsätzlich ist das ein rein privater Spaß hier", lächelt die Steuerberaterin.
Parasiten und Hitze bedrohen Küken
Die Gründe, warum Schwalbenküken aus dem Nest fallen oder springen, sind vielfältig: Etliche sind von Parasiten befallen wie Milben oder Lausfliegen, dann müssen sie dringend behandelt werden. Oder es wird einfach zu heiß in den Nestern: "Es gibt sogenannte Hitzespringer. Nester unter Blechdächern werden im Sommer so heiß, dass die Babys in ihrer letzten Not rausspringen", erklärt Katrin Hehl. Grundsätzlich gilt: Jede Schwalbe, die sich am Boden befindet und nicht alleine starten kann, braucht Hilfe.
Nester dürfen nicht zerstört werden
Schwalben stehen unter Naturschutz. Es ist strafbar und verboten, die Nester zu zerstören oder zu entfernen. Es gibt einfache Tricks, Häuser und Wände vor dem Kot zu schützen. Man kann zum Beispiel Bettlaken aufhängen oder Holzbretter unter den Nestern montieren. Die Flugkünstler sind extrem nützlich, vertilgen Unmengen von Insekten. Jeder, der in diesem Frühjahr die Mückenplage erlebt hat, sollte das zu schätzen wissen.
Rauch- und Mehlschwalben in MV
Hier in MV leben meist die bunten Rauch- und die schwarz-weißen Mehlschwalben. Rauchschwalben bauen offene Nester, oft unter Dächern oder in Carports. Die Nester der kleineren Mehlschwalben sind fast rund, nur mit einem Einflugloch und meist außen an Gebäuden. Die selteneren Uferschwalben brüten in Fluss- oder Ufernähe, graben Bruthöhlen und Gänge zum Beispiel in Steilküsten. Schwalben bauen ihre Nester vor allem aus Lehm. Da es für sie immer schwieriger wird, geeignetes Nistmaterial zu finden, empfiehlt Katrin Hehl, Lehmpfützen im Garten anzulegen, die feucht gehalten werden müssen. Sie hofft, alle ihre Schützlinge rechtzeitig in die Freiheit entlassen zu können, damit die handaufgezogenen Schwalben bis Mitte September noch rechtzeitig mit ihren Artgenossen in den Süden fliegen können.