Blick in Rostocks Stadtgeschichte: Uralte Keller ausgegraben

Stand: 27.06.2023 21:48 Uhr

Mit so vielen Funden hätten sie nicht gerechnet: Seit März sind Archäologen auf der Baustelle für Rostocks neuen Rathausanbau im Einsatz und haben dabei unter anderem Holzkeller aus dem 13. Jahrhundert entdeckt.

von Katja Bülow

Des einen Glück ist des anderen Leid. Während sich die Archäologen auf der Baustelle für Rostocks neuen Rathaus-Anbau gerade über unerwartet viele und tiefe Einblicke in die Stadtgeschichte freuen, ist Projektleiter Stefan Bölkow in Sorge. Denn mit den eigentlichen Bauarbeiten kann er erst dann anfangen, wenn sowohl die Grabungen, als auch die Suche nach Bomben-Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg beendet sind. Er zuckt bedauernd die Schultern: "Es gibt wesentlich mehr Funde und die Arbeiten sind wesentlich aufwändiger als wir eigentlich vermutet hatten. Bei jedem Spatenstich kommen neue Dinge zutage."

Im feuchten Lehmboden konserviert

Dass es sich lohnt, einen Moment innezuhalten und in die Vergangenheit zu blicken, davon ist Grabungsleiter Jörg Ansorge fest überzeugt. Seit März ist das Areal an der Ostseite des Neuen Marktes sein Arbeitsplatz. In dieser Zeit konnten er und seine Kollegen gleich drei ungewöhnlich gut erhaltene Holzkeller aus der Mitte des 13. Jahrhunderts freilegen. Ansorge betrachtet eine fast zwei Meter hohe Wand aus uraltem Holz, die über die Zeit im feuchten Lehmboden bestens konserviert war. "Das ist nicht nur für Rostock selbst, sondern auch überregional bemerkenswert. Gut erhaltene Funde aus dieser Zeit sind sonst eher aus Städten wie Lübeck bekannt."

Pilgerzeichen, Schmuck und alte Krüge

Ein paar Meter von ihm entfernt steht Christoph Sneckow mitten in einem tiefen Loch, einer ehemaligen Latrine. Schicht für Schicht sucht er das Erdreich nach Relikten aus der Vergangenheit ab. Schon einiges ist hier auf diese Weise ans Tageslicht gekommen: Münzen, Weinkrüge, die am Ende ihres Lebens als Pinkelpötte genutzt wurden, etliche Metallteile, die einst als Verzierung von Kleidungsstücken dienten, drei Pilgerzeichen, die von einer Wallfahrt der Hausbewohner zeugen. Heute allerdings hatte Christoph Sneckow noch keinen Erfolg. Er nimmt es gelassen und spöttelt: "Das einzige, was ich gefunden habe, ist der Weg zur Arbeit."

Bauen einst: Mit einfachen Mitteln viel bewegt

Welche Geschichte all diese Entdeckungen erzählen, das ist bisher noch nicht klar, sagt Grabungsleiter Ansorge. Erst einmal müsse alles erfasst und ausgewertet werden. Seine junge Kollegin Julia Dabel ist darum von früh bis spät mit dem Zeichenbrett auf der Baustelle, hält jeden Fund genauestens auf Papier fest. Sie begeistert vor allem eines: "Die Arbeit hier ist unheimlich komplex. Und ich finde es faszinierend, was die Menschen damals mit vergleichsweise beschränkten Mitteln alles gebaut haben."

Anbau soll bis 2027 fertig sein

Wann genau die Ausgrabungen beendet sein werden, ist derzeit noch unsicher. Projektleiter Stefan Bölkow geht trotzdem davon aus, dass der fast 70 Millionen Euro teure Rathausanbau bis zum Jahr 2027 fertig sein wird.

Weitere Informationen
Alte Wasserleitungen aus Holz wurden bei archäologischen Ausgrabungen am Glatten Aal in Rostock gefunden. © NDR Foto: Volker Werner

Archäologische Funde am Glatten Aal in Rostock

Bei Grabungen auf der Baustelle am Glatten Aal in Rostock sind 400 Jahre alte Wasserleitungen gefunden worden. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 27.06.2023 | 18:00 Uhr

Mehr Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern

Experten des Deutschen Meeresmuseums untersuchen eine Kegelrobbe. © dpa Foto: Stefan Sauer

Backhaus reagiert nach Robbensterben: Neue Reusen-Regel für Ostsee

Die Ursache für den Tod von 44 Tieren ist noch nicht abschließend geklärt. Umweltminister Backhaus zieht dennoch eine Konsequenz für den Fischfang. mehr

Die Applikation App WhatsApp ist auf dem Display eines Smartphones zu sehen. © picture alliance/dpa Foto: Silas Stein

Im Handy abonnieren: Die NDR MV Nachrichten bei Whatsapp

Im NDR MV Whatsapp-Kanal gibts die wichtigsten Themen für Mecklenburg-Vorpommern kompakt und schnell zusammengefasst. extern

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?