Blick in Rostocks Stadtgeschichte: Uralte Keller ausgegraben
Mit so vielen Funden hätten sie nicht gerechnet: Seit März sind Archäologen auf der Baustelle für Rostocks neuen Rathausanbau im Einsatz und haben dabei unter anderem Holzkeller aus dem 13. Jahrhundert entdeckt.
Des einen Glück ist des anderen Leid. Während sich die Archäologen auf der Baustelle für Rostocks neuen Rathaus-Anbau gerade über unerwartet viele und tiefe Einblicke in die Stadtgeschichte freuen, ist Projektleiter Stefan Bölkow in Sorge. Denn mit den eigentlichen Bauarbeiten kann er erst dann anfangen, wenn sowohl die Grabungen, als auch die Suche nach Bomben-Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg beendet sind. Er zuckt bedauernd die Schultern: "Es gibt wesentlich mehr Funde und die Arbeiten sind wesentlich aufwändiger als wir eigentlich vermutet hatten. Bei jedem Spatenstich kommen neue Dinge zutage."
Im feuchten Lehmboden konserviert
Dass es sich lohnt, einen Moment innezuhalten und in die Vergangenheit zu blicken, davon ist Grabungsleiter Jörg Ansorge fest überzeugt. Seit März ist das Areal an der Ostseite des Neuen Marktes sein Arbeitsplatz. In dieser Zeit konnten er und seine Kollegen gleich drei ungewöhnlich gut erhaltene Holzkeller aus der Mitte des 13. Jahrhunderts freilegen. Ansorge betrachtet eine fast zwei Meter hohe Wand aus uraltem Holz, die über die Zeit im feuchten Lehmboden bestens konserviert war. "Das ist nicht nur für Rostock selbst, sondern auch überregional bemerkenswert. Gut erhaltene Funde aus dieser Zeit sind sonst eher aus Städten wie Lübeck bekannt."
Pilgerzeichen, Schmuck und alte Krüge
Ein paar Meter von ihm entfernt steht Christoph Sneckow mitten in einem tiefen Loch, einer ehemaligen Latrine. Schicht für Schicht sucht er das Erdreich nach Relikten aus der Vergangenheit ab. Schon einiges ist hier auf diese Weise ans Tageslicht gekommen: Münzen, Weinkrüge, die am Ende ihres Lebens als Pinkelpötte genutzt wurden, etliche Metallteile, die einst als Verzierung von Kleidungsstücken dienten, drei Pilgerzeichen, die von einer Wallfahrt der Hausbewohner zeugen. Heute allerdings hatte Christoph Sneckow noch keinen Erfolg. Er nimmt es gelassen und spöttelt: "Das einzige, was ich gefunden habe, ist der Weg zur Arbeit."
Bauen einst: Mit einfachen Mitteln viel bewegt
Welche Geschichte all diese Entdeckungen erzählen, das ist bisher noch nicht klar, sagt Grabungsleiter Ansorge. Erst einmal müsse alles erfasst und ausgewertet werden. Seine junge Kollegin Julia Dabel ist darum von früh bis spät mit dem Zeichenbrett auf der Baustelle, hält jeden Fund genauestens auf Papier fest. Sie begeistert vor allem eines: "Die Arbeit hier ist unheimlich komplex. Und ich finde es faszinierend, was die Menschen damals mit vergleichsweise beschränkten Mitteln alles gebaut haben."
Anbau soll bis 2027 fertig sein
Wann genau die Ausgrabungen beendet sein werden, ist derzeit noch unsicher. Projektleiter Stefan Bölkow geht trotzdem davon aus, dass der fast 70 Millionen Euro teure Rathausanbau bis zum Jahr 2027 fertig sein wird.