Baerbock nach dem Ostseerat: "Sicherheit durch Zusammenarbeit"
Die Länder der Ostseeregion wollen weiter für ihren gemeinsamen Schutz eintreten. Das sagte Bundesaußenministerin Baerbock zum Ende des Ostseerates in Wismar. Die Windkraft auf See soll stark ausgebaut werden.
In Wismar haben die Ostsee-Anrainerstaaten plus die Länder Norwegen und Island in den vergangenen zwei Tagen darüber beraten, wie die Demokratien in der Region widerstandsfähiger gemacht werden können. Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) sagte zum Abschluss, bei dem Treffen habe es eine "große gemeinsame Verschiebung von Prioritäten" gegeben. Hintergrund ist der russische Angriff auf die Ukraine. Baerbock betonte bei der Pressekonferenz nach dem Treffen, die Region biete großes Potenzial, um die gegenseitige Sicherheit zu stärken.
Baerbock: "Ostsee gemeinsamer Schatz"
"Russland hat die sicherheitspolitischen Koordinaten verschoben", so Baerbock. Das Vertrauen in die Partnerschaft mit Russland sei dahin. Gerade in der Ostseeregion sei die Sicherheit eines jeden die Sicherheit von uns allen, meinte die Außenministerin. Sie nannte die Ostseeregion einen Schlüssel für Sicherheit, nicht nur in militärischer Hinsicht, sondern auch für sichere Seewege und für Energieunabhängigkeit. Die Ostsee sei der gemeinsame Schatz und den gelte es, auch in Zeiten des Klimawandels zu bewahren. "In den Wassern der Ostsee spiegelt sich die Weltpolitik wider", sagte Baerbock. "Jetzt erst recht müssen wir für unsere alltägliche Sicherheit in dieser Region gemeinsam eintreten", betonte die Außenministerin.
Offshore-Windkraft und Austausch
Laut Baerbock wollen die am Ostseerat beteiligten Saaten nun gemeinsam ihre Offshore-Windkraftleistung bis 2030 versiebenfachen. Dazu müssten alle Behörden, Unternehmen, Stromversorger und Menschen im Ostseeraum grenzüberschreitend zusammenarbeiten. Aber auch etwa der Ausbau von Unterseekabeln müsse vorangetrieben werden. "Wir arbeiten an ganz konkreten Projekten, die für die Sicherheit der Menschen im Ostseeraum wichtig sind", so Baerbock. Außerdem ging es am letzten Tag des Treffens um den Jugendaustausch. Der soll im Ostseeraum verstärkt werden. Die Ministerinnen und Minister hörten sich dazu die Vorstellungen junger Menschen an. Sie präsentierten Projekte im Zeichen der Demokratie und der Freiheit, die sich unter anderem mit Desinformation sowie Hass und Hetze im Netz befassen.
Zügige Munitionsbergung gefordert
Die rot-rote Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern fordert vom Bund deutlich mehr Tempo bei der Bergung von Munitionsaltlasten aus der Ostsee. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) nutzte den Auftakt des Außenministertreffens am Donnerstag für einen Appell an den Bund. "Wir müssen gemeinsam zügig mit der Bergung beginnen", sagte Schwesig. Das sei eine große Aufgabe. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es mit dem Ocean Technology Campus ein international vernetztes Zentrum für Unterwassertechnologie, das einen wichtigen Beitrag leisten könne. Auch Landesumweltminister Till Backhaus (SPD) forderte vom Bund mehr Tempo. Mecklenburg-Vorpommern dürfe nicht übergangen werden. Es seien bereits in der Vergangenheit unrealistische Zeitpläne angekündigt worden, auch bei der Finanzierung sieht Backhaus den Bund in der Pflicht.
Einsatz mobiler Plattform geplant
Die Munitionsbergung war in den vergangenen zwei Tagen eines der Hauptthemen im Ostseerat. "In Sicherheit zu leben bedeutet: die gefährlichen Spuren der Vergangenheit endlich zu beseitigen", sagte Baerbock nach dem Treffen. Konkrete Maßnahmen wurden noch nicht erarbeitet. Baerbock kündigte aber an, dass Deutschland vom kommenden Jahr an eine mobile See-Plattform einsetzen werde, die alte Granaten und Geschosse bergen soll. Sie verwies auf ein 100-Millionen-Euro-Sonderprogramm des Bundes. Die Ausgaben lägen angesichts von mehr als 400.000 Tonnen Munition auf dem Grund der Ostsee aber viel höher. Baerbock setzt darauf, dass sich Energieunternehmen, die in der Ostsee Windparks bauen, beteiligen. Sie könnten ihre Anlagen nur in Gebieten bauen, die von Altlasten befreit sind.
Verrottende Munition eine Gefahr für Umwelt und Menschen
Mehr als 400.000 Tonnen konventionelle Munition liegen auf dem Grund der Ostsee. Eine Hinterlassenschaft des Zweiten Weltkrieges, die vor allem die Umwelt gefährdet. Die Hüllen und Mäntel von Munition und Fässern sind stark verrostet. Immer wieder treten gefährliche Chemikalien aus wie zum Beispiel Phosphor, ein Bestandteil von Brandbomben im Zweiten Weltkrieg. Phosphorklumpen werden immer wieder an den Ostseestrand gespült, Laien können sie mit Bernstein verwechseln. Sobald sich der Stoff erwärmt, kann er sich entzünden. Nicht nur für Menschen besteht ein Verletzungsrisiko. Giftige und krebserregende Stoffe wie TNT, die aus den verrotteten Hüllen austreten, bedrohen das maritime Leben.
Goldschmidt: "Ganz dringende Aufgabe"
Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) erhoffte sich von dem Treffen bei dem Thema "noch einmal richtig viel Schwung". Die Bergung der Munition sei eine ganz dringende Aufgabe für den Ostseeschutz. Die Ostsee sei ein Meer mit vielen Anrainern. Deswegen müsse das eine Gemeinschaftsaufgabe sein. "Die Zeit drängt. Es ist eigentlich ein unfassbarer Zustand, dass das Problem über Jahrzehnte bestaunt worden, liegengelassen worden ist und dann irgendwann angefangen wurde, wissenschaftlich aufzuarbeiten", sagte Goldschmidt am Freitag im Interview auf NDR Info.
"Jetzt ist aber der Punkt gekommen, wo wir mit Technik in die Ostsee müssen, in die Nordsee müssen und das Zeug dringend rausholen müssen, weil es Korrosion gibt." Schon heute würden Giftstoffe in der Ostsee und in der Nordsee festgestellt. "Und die werden zum Problem, weil die nicht irgendwann weg sind. Die reichern sich in den Nahrungsketten an und werden eben nicht nur für die Fische und für die Tiere in der Ostsee zum Problem, sondern auch für uns Menschen."
Bergung in großem Maßstab ab 2025?
Es komme nun darauf an, dass die hundert Millionen Euro, die für die Bergung zur Verfügung stehen, auch investiert werden, "damit eine Plattform oder eine schwimmende Einheit, was auch immer, in die Ostsee gestellt werden kann, die endlich loslegt, in größerem Umfang die Munition zu bergen". Goldschmidt sei guter Dinge, dass 2025 die Bergung in großem Maßstab losgehen könne.