Offshore-Windparks: Wie Dänemark Deutschlands Energielieferant wurde
Nach dem Ende des billigen Gases aus Russland setzt Mecklenburg-Vorpommern auf die Energieerzeugung auf dem Meer. Die Ostsee soll zu einem gigantischen Windkraftwerk werden.
So soll günstiger Strom und später auch Wasserstoff produziert werden. Als erste hatten sich die Dänen auf den Weg gemacht. Der Nysted Havmøllepark, nur 30 Kilometer von der mecklenburgischen Küste entfernt, war der erste große Offshore Park der Welt. Mittlerweile ist er 20 Jahre alt und hat damit seine projektierte Lebensdauer erreicht.
Geschenk an den Planeten Erde
Angefangen hatte alles bereits 1998. Damals verkündete der dänische Energie- und Umweltminister Svend Auken pathetisch, dass das Königreich Dänemark riesige Windparks auf See errichten werde, als Geschenk an den Planeten. Nach ein paar kleineren Testfeldern wurde schließlich die Südküste der Inseln Lolland und Falster auserwählt, um den ersten großen Offshore Windpark der Welt zu errichten. Die Zahlen waren beeindruckend: 72 Windräder, jedes über 100 Meter hoch, nur 10 Kilometer von der dänischen Küste entfernt.
Widerstand an der Küste
Viele Bewohner der nahen Küstenstädtchen Gedser und Nysted fragten sich damals: Warum in unserer unberührten Küstenlandschaft, mitten in einem der wichtigsten Vogelzuggebiete Europas? Widerstand kam auch von den örtlichen Sommerhausbesitzern und sogar von Landwirtschaftsbetrieben. Im NDR Nordmagazin berichtete der Nysteder Ingenieur Hans-Erik Johnsen damals: "Das war ein furchtbarer Schlag. Wir haben geweint, wir haben gerufen, wir haben dem Staat geschrieben, wir haben Nein gesagt. Aber nichts war zu machen."
Die örtliche Politik beugte sich schließlich auch, weil die Regierung in Kopenhagen der wirtschaftlich schwachen Region gut bezahlte Arbeitsplätze versprach. 2002 wurden dann die ersten pilzförmigen Betonfundamente in sechs bis 12 Metern Wassertiefe versenkt. Wenig später kamen Türme, Turbinenhäuser, Flügel und die Transformatorenstation mit Landanbindung hinzu. Kosten: 213 Millionen Euro. Investoren waren der Pensionsfonds Danmark (50%), der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden gehört, der staatliche Energiekonzern Ørsted (42,75%) und die Stadtwerke Lübeck (7,25% Anteil). Vor genau 20 Jahren ging der Windpark schließlich ans Netz. Bei voller Leistung kann er 145.000 Einfamilienhäuser mit Strom versorgen.
Stimmung dreht sich
2010 kam in direkter Nachbarschaft noch ein weiterer großer Windpark hinzu. Da gab es dann kaum noch Widerstand. Die Stimmung hatte sich gedreht, auch weil die Häuserpreise stabil geblieben waren, sogar mehr anstatt weniger Touristen kamen und zwei Dutzend Arbeitsplätze entstanden waren. Untersuchungen zeigten, dass die Zugvögel die Windräder weiträumig meiden, weiß Thomas Almegaard, der den Windpark leitet und von Anfang an dabei ist. Mittlerweile profitieren die dänischen Verbraucher auch vom billigen Windstrom, dank flexibler Tarife. Weht der Wind kräftig, ist der Strom billig, bei Überkapazitäten manchmal sogar kostenlos.
Lebenszeitverlängerung statt Abriss
Die Windkraftanlagen haben allerdings ihre projektierte Lebensdauer erreicht. Seit zwei Jahrzehnten nagen Stürme und salzhaltige Luft an der Technik. Zwei Windräder hat der Windpark Nysted schon eingebüßt, wegen eines Wassereinbruches in den Fundamenten. Aber die anderen 70 Anlagen liefen weiter zuverlässig Strom, über die Jahre rund zwei Prozent des dänischen Energiebedarfes. Das soll die nächsten fünf bis 10 Jahre auch so bleiben, erklärt Thomas Almegaard, der im nahen Nysted wohnt. "Solange wir grünen Strom produzieren und sich der Park rechnet. Es gibt auch keine Alternative. Die neuste Generation Windräder ist sechsmal so leistungsfähig aber auch doppelt so hoch. Und darauf haben die Küstenbewohner keine Lust."
Engstelle Deutschland
Und so fahren weiter täglich fahren fünf Technikerteams raus und erledigen Wartungs- oder Reparaturarbeiten, bei fast jedem Wetter. Nur durchschnittlich drei Tage im Jahr reicht der Wind nicht aus, um Strom zu produzieren. Und trotzdem steht der Park immer häufiger still. Laut Thomas Almegaard liegt das am deutschen Stromnetz, denn es mangelt an leistungsfähigen Nord-Südverbindungen. "Wir müssen den Park öfters stoppen, weil der Strom nicht nach Deutschland geliefert werden kann. Die Leute wundern sich dann. Warum steht der Nystedpark still? Die deutschen Netzbetreiber müssen dann sogar noch Strafe an uns zahlen."
Trotz dieser Engpässe, das Königreich ist mittlerweile Deutschlands wichtigster ausländischer Stromlieferant, hat Frankreich abgelöst. Darauf sind sie auch ein wenig stolz: Thomas Almegaard: "Wir sind zwar ein kleines Land, aber irgendeiner musste mit dem Windstrom anfangen und den anderen zeigen, wie es geht."