Ammen-Dornfinger: Klimagewinnerin lebt auch in MV
Jedes Jahr kürt die Arachnologische Gesellschaft eine andere Spinnenart, um über die Tiergruppe aufzuklären. Einst lebte der Ammen-Dornfinger im Mittelmeerraum, südlich der Alpen. Mittlerweile fühlt sich die wärmeliebende Spinne auch in Mecklenburg-Vorpommern wohl.
Wind streift durch eine wilde ungemähte Wiese im Naturschutzgebiet Marienfließ an der brandenburgischen Grenze. Ein Netzgeflecht, das aussieht wie ein Zelt, hängt an einem Halm und biegt sich hin und her. Es ist das seidige Tagesquartier des Ammen-Dornfingers. „Das ist eine ziemlich große Spinne, die nachts jagt und sich tagsüber so einen zeltartigen Unterschlupf baut, in dem sie den Tag verbringt und abends auf Jagd geht“. Udo Steinhäuser ist regelmäßig im Naturschutzgebiet Marienfließ unterwegs, um sämtliche Spinnenarten dort zu dokumentieren.
Spinne beschützt Nachwuchs wie eine Amme
Der ehrenamtliche Spinnenexperte öffnet vorsichtig das Netzgeflecht. Eine ausgewachsene etwa 17 Millimeter große Spinne krabbelt ihm aufgeregt entgegen. Es ist eine Mutter, die ihre vielen Jungtiere beschützen will. Udo Steinhäuser muss nun aufpassen, nicht gebissen zu werden. „Weil die Mutter ihre Kinder so vehement beschützt, heißt sie auch Ammen-Dornfinger. Und Dornfinger kommt daher, da sie an ihren Beißwerkzeugen noch so einen kleinen Widerhaken hat, also einen Dorn und weil die Beißwerkzeuge sehr lang sind, wie ein Finger“. Der Ammen-Dornfinger wurde in MV erstmals im Sommer 1998 in Peenemünde auf Usedom entdeckt. Mittlerweile wurde das Tier in allen Regionen des Landes gesichtet.
Schlechter Ruf: Giftigste Spinne Deutschlands
Der Ammen-Dornfinger wird oft als giftigste Spinne Deutschlands bezeichnet. Ihr Biss fühlt sich an wie ein Wespenstich, der bis zu zwei Wochen lang schmerzen kann. Udo Steinhäuser möchte jedoch gern mit dem schlechten Image dieser Spinne aufräumen. Er hat deshalb eine klare Botschaft. „Keine Angst haben. Die Tiere von sich aus beißen niemanden. Es sei denn, man nimmt sie in die Hand und versucht sie zu zerquetschen oder den Kokon aufzureißen. Dann wehren sie sich, so wie das jeder von uns machen würde. Für Udo Steinhäuser ist der Ammendornfinger nicht aggressiv, sondern eine Bereicherung der heimischen Fauna, auch keine invasive Art, die heimische Spinnen verdrängt.
Trinkender Fleischfresser
Ammen-Dornfinger ernähren sich ausschließlich von Fleisch, vor allem von Insekten. Sie vertilgen auch Tiere, die größer sind als sie. Dabei betont Udo Steinhäuser, dass Spinnen nicht fressen, sondern ihre Nahrung trinken. „Spinnen injizieren ihren Verdauungsbrei in die Beute. Meinetwegen ist da ein Grashüpfer, den sie gefangen haben. Und durch diesen Verdauungsbrei löst sich die Heuschrecke innen auf“. Und diese Flüssigkeit saugt die Spinne auf.
Nachwuchs überwintert im Kokon
Ammen-Dornfinger werden ein Jahr alt. Sie sterben beim ersten Frost. Der Nachwuchs baut sich einen kleinen Kokon in Erdnähe und überwintert darin. „Die Jungtiere haben also ein Zimmer aus Seide“. Udo Steinhäuser ist fasziniert vom Ammen-Dornfinger, der sich wie alle Spinnen siebenmal häutet, bis er ausgewachsen ist.
Balzzeit im Juli
Immer im Juli ist Balzzeit für den Ammen-Dornfinger. Überall in den Wiesen hängen dann taubeneigroße Kokons, die Begattungsstuben. Sie sind nach der Paarungszeit mit bis zu 300 Eiern gefüllt. Der Jahreszyklus der neuen Ammen-Dornfinger-Generation kann beginnen.
