Stand: 01.04.2015 20:00 Uhr

Wolfsburger IS-Kämpfer: LKA sieht keine Fehler

Das niedersächsische Landeskriminalamt (LKA) hat den Vorwurf zurückgewiesen, bei den Ermittlungen in der Wolfsburger Islamisten-Szene Fehler gemacht zu haben. NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung hatten am Dienstag berichtet, dass Islamisten aus der niedersächsischen Stadt in den vergangenen Jahren ungehindert in den Heiligen Krieg (Dschihad) nach Syrien und den Irak reisen konnten. Das LKA hat den Informationen zufolge nicht versucht, sie durch einen Entzug des Reisepasses aufzuhalten. Das gilt insbesondere für den Fall von Ayoub B., dessen Angehörige die Behörde über die Reisepläne des jungen Mannes informierten und darum baten, ihm den Pass wegzunehmen.

Am Mittwoch sagte der stelllvertretende Präsident des LKA, Thomas Ring, in Hannover: "Ich möchte diese Vorwürfe vehement zurückweisen." Ihm zufolge lässt das Landeskriminalamt keinen Menschen ausreisen, der sich einer Terrororganisation anschließen will - solange es dafür gerichtsfeste und stichhaltige Informationen gibt. Diese gerichtsfesten Hinweise hätten im Fall von Ayoub B. gefehlt, so der LKA-Vize.

LKA wollte gerichtsfeste Aussagen

Ring bestätigte den Kontakt seiner Behörde mit dem Bruder des mutmaßlichen Dschihadisten Ayoub B. Dieser habe - so hatten es NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung berichtet - davor gewarnt, dass sich sein Bruder radikalisiert. Außerdem nannte er Namen weiterer junger Männer aus der Szene. Einige von ihnen reisten später, ebenso wie Ayoub B., aus Deutschland aus. Diese Aussage hat nach Darstellung Rings das LKA nicht für ein Passentzugsverfahren verwerten können. Die Behörde habe den Bruder gefragt, ob er seine Informationen in einer förmlichen Vernehmung wiederholen könne. Das sei abgelehnt worden. "Insofern waren wir als Polizei dann, was gerichtsverwertbare Informationen angeht, nicht mehr in der Lage, an die Stadt Wolfsburg heranzutreten und zu sagen: Wir möchten hier den Pass entziehen", erklärte Ring.

Polizeirechtler: "Gerichtsfeste Beweise nicht nötig"

Dieser rechtlichen Einschätzung tritt Dieter Kugelmann von der Deutschen Hochschule der Polizei entgegen. Er erklärte gegenüber dem NDR, dass für einen Passentzug keine förmliche Aussage oder eine Aussage vor einem Richter notwendig sei. "Das sind alles Schutzmechanismen, die hinsichtlich einer strafrechtlichen Verurteilung eine Rolle spielen, aber nicht bei der Frage, ob jemandem der Pass entzogen wird oder nicht." Der Experte für Polizeirecht ergänzte, die konkrete Aussage eines Bruders könne ein guter Grund für weitere Ermittlungen sein. Letztendlich hänge es auch von ermittlungstaktischen Erwägungen ab, ob die Polizei bei der zuständigen Passbehörde den Entzug beantrage.

Betroffene nicht angesprochen

Der Anwalt der Familie von Ayoub B., Dirk Schoenian sagte, er hätte sich gewünscht, dass die Polizei die jungen Leute anspricht. Dies wäre zumindest ein Signal gewesen, das eine Ausreise hätte verhindern können. In der Fachsprache der Polizei heißt ein solches Signal "Gefährderansprache". Dazu sei es aus ermittlungstaktischen Gründen jedoch nicht gekommen, erklärte LKA-Vize Ring.

In Bezug auf die Angaben des Bruders von Ayoub B. betonte das LKA zwar, dass Informationen über mögliche Islamisten aber stichhaltig sein müssten, um den Entzug eines Reisepasses beantragen zu können. Intern scheint die Behörde wenig Zweifel an der Darstellung des Bruders von Ayoub B. gehabt zu haben. Nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung notierten die Beamten in einem Vermerk, dass davon ausgegangen werden müsse, dass Ayoub B. sich bereits aktiv am gewaltsamen Dschihad beteilige. Trotzdem gab es weder Passentzug noch Gefährderansprache. Auf den Vorwurf, das LKA habe einen aus Syrien zurückgekehrten Islamisten acht Wochen lang nicht vernommen, ging die Behörde nicht ein.

Opposition reagiert verwundert

Das Vorgehen der Ermittler verwundert die Opposition im Niedersächsischen Landtag. FDP-Fraktionschef Stefan Birkner spricht von einer hohen politischen Relevanz des Themas. Jetzt müsse die Landesregierung erklären, wie sie derartige Probleme künftig vermeiden will. Die CDU-Innenpolitikerin Angelika Jahns beklagt, dass in Niedersachsen bereits bestehende rechtliche Regeln nicht umgesetzt würden, während im Bund darüber diskutiert werde, den Passentzug auszuweiten. Die Große Koalition in Berlin verfolgt solche Pläne mit dem Ziel, die Reisetätigkeit von Dschihadisten einzuschränken.

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Dieses Thema im Programm:

NDR//Aktuell | 01.04.2015 | 15:00 Uhr

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Terrorismus

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