Weniger Geld für Radiologen im Norden
von Markus Grill
Jeder dritte Patient, der mit Kernspin (MRT) oder im Computertomografen (CT) untersucht wird, bekommt vorher ein Kontrastmittel gespritzt. Diese Mittel sorgen dafür, dass die Bilder in den Geräten klarer sind. Viele Radiologen in Hamburg und Niedersachsen konnten mit diesen Kontrastmitteln hohe Summen nebenher verdienen, indem sie die Mittel billig bei Pharmafirmen einkaufen und teuer bei den Krankenkassen abrechnen. Das hatten NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" anhand von internen Rechnungen von Pharmafirmen und Lieferscheinen an Arztpraxen Anfang August 2019 aufgedeckt.
Krankenkassen ändern die Pauschalen
Die Gesetzlichen Krankenkassen hatten zuvor versichert, nicht zu wissen, zu welchen Preisen die Radiologen Kontrastmittel tatsächlich einkaufen. So antwortete etwa die AOK Rheinland/Hamburg: "Einnahmen/Gewinne aus Kontrastmitteln sind uns nicht bekannt". Das hat sich seit der Veröffentlichung geändert - und seitdem schrumpfen die Zusatzverdienste für Radiologen in den betroffenen Bundesländern deutlich.
Radiologen in Hamburg können weiterhin Zusatzeinnahmen erzielen
Während zum Beispiel in Bayern die Krankenkassen den Radiologen die Kontrastmittelpauschalen um 75 Prozent kürzen, beträgt der Rückgang in Hamburg nur 35 Prozent. Das heißt, Radiologen können in Hamburg auch künftig noch hohe Zusatzverdienste bei der Abrechnung der Mittel erzielen, da die Einkaufspreise weit unter den Erstattungspreisen liegen.
Das Problem bei den Pauschalen ist aber nicht nur, dass die Krankenkassen damit bisher das Geld ihrer Versicherten verschwendet haben, sondern dass Radiologen dadurch auch einen Anreiz haben könnten, bei ihren Patienten mehr Kontrastmittel einzusetzen als nötig - weil sie an jeder Verschreibung zusätzlich verdienen.
Auch in Niedersachsen nur geringe Einsparungen geplant
Ähnlich wie in Hamburg ist die Situation in Niedersachsen. Während die zuständige AOK Niedersachsen jede konkrete Angabe über die Preissenkungen verweigert, teilt die Kassenärztliche Vereinigung mit, dass die Kontrastmittelpauschalen für MRT- und für CT-Patienten zum 1. April um 30 Prozent abgesenkt werden. Bisher gaben die Krankenkassen für Kontrastmittel im Jahr rund 20 Millionen Euro aus. Künftig sollen es nur noch rund 14 Millionen sein. Damit sind die Einsparungen in Hamburg und Niedersachsen weit weniger ehrgeizig als in anderen Bundesländern wie Bayern oder Nordrhein-Westfalen.
Der Vorsitzende des Landesverbands der Radiologen in Niedersachsen, Florian Elgeti, ließ ebenso wie sein Kollege in Hamburg, Andreas Bollkämper, eine Anfrage von NDR, WDR und SZ zur Kürzung der Pauschalen unbeantwortet.
In Bremen wird derzeit mit den Radiologen verhandelt
In Bremen, wo die Radiologen ebenfalls hohe Pauschalen erhalten, ist bisher alles unverändert. Auf die Frage, ob auch in Bremen die Erstattungen für Radiologen gekürzt werden, antwortete die AOK Bremen/Bremerhaven man sei "aktuell in Gesprächen mit den Radiologen."
Rechnet man die Einsparungen in Bayern, Niedersachsen, NRW und Hamburg zusammen, dürften die Krankenkassen künftig rund 50 Millionen Euro weniger im Jahr für Kontrastmittel ausgeben als bisher.
Vielerorts herrscht Intransparenz
In vielen anderen Bundesländern herrscht bei den Kontrastmittel-Preisen vor allem Intransparenz. So weigern sich die Krankenkassen in Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die Preise, die sie zahlen, überhaupt mitzuteilen und berufen sich dabei auf "Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse".
SPD und Grüne sehen Handlungsbedarf
Für den SPD-Gesundheitsexperte im Bundestag, Karl Lauterbach, sind das "unhaltbare Zustände". Er sagt: "Wir müssen einen Überblick haben, was hier bezahlt wird." Wie solle man sonst Gesundheitspolitik machen? "Die extrem hohen Preise, die die Krankenkassen für Kontrastmittel bezahlt haben, waren uns im politischen Berlin nicht bekannt."
Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche kritisiert: "Es ist wirklich ein Skandal, dass es so lange gedauert hat und dass jetzt bis zu 50 Millionen Euro eingespart werden können, indem man genauer hinschaut." Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) könne sich da nicht länger wegducken. "Das Gesundheitsministerium ist jetzt gefordert, eine gesetzliche Regelung vorzulegen, die dazu führt, dass solche Einnahmen aus der Verschreibung von Arzneimitteln ausgeschlossen werden."
Radiologen mit eigener Praxis erwirtschaften im Schnitt 31.000 Euro pro Monat Reinertrag
Für die Radiologen dürfte der Rückgang ihrer Zuverdienstmöglichkeiten insgesamt verschmerzbar sein. Denn nach einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes kommt jeder Radiologe mit eigener Praxis auf einen Reinertrag von 31.000 Euro pro Monat. Reinertrag heißt: Nach Abzug aller Kosten wie Praxismiete, Sprechstundenhilfe und Abschreibungen auf die CT- und MRT-Geräte.