US-Militär hört Telefone auf deutschen Basen ab
Das US-Verteidigungsministerium überwacht seit Jahren Telefone an seinen Militärstandorten in Deutschland. Die US-Botschaft in Berlin bestätigte entsprechende Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung". Aus vertraulichen Unterlagen der Bundesregierung geht nach Informationen der drei Medien hervor, dass die Praxis in mindestens einem Fall von Bundesverteidigungsministerium und Auswärtigem Amt als rechtswidrig kritisiert wurde.
von Christoph Heinzle, NDR Info
Mit Blick auf die Alpen forschen und lehren deutsche und amerikanische Sicherheitspolitik-Experten in Garmisch-Partenkirchen. Das George C. Marshall Center wird von den Verteidigungsministerien beider Länder getragen, liegt aber auf US-Militärgelände und wird vom US-Militär verwaltet. Die Deutschen im Marshall Center staunten nicht schlecht, als sie im Sommer 2006 für ihre Telefone Aufkleber bekamen mit der Aufschrift "Sprechen Sie nicht über vertrauliche Informationen. Dieses Telefon wird ständig überwacht." Wie vertrauliche Unterlagen nach Informationen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" zeigen, fragten die deutschen Center-Mitarbeiter beunruhigt nach. Die Antwort des amerikanischen Militärjuristen damals: Auch das Marshall Center sei Teil eines weltweiten Überwachungsverfahrens, das sichern soll, dass über Militäranschlüsse keine vertraulichen Informationen nach draußen dringen. "Die besondere Überwachung von Fernmeldeverbindungen im Bereich des US-Verteidigungsressorts wird im Hinblick auf die fraglichen Telefone aus Gründen der Fernmeldesicherheit genehmigt."
Praxis laut Bundesregierung rechtswidrig
Bundeswehr und Bundesregierung hielten das allerdings für gar nicht genehmigungsfähig. Der Rechtsberater des Inspekteurs der Streitkräftebasis prüfte den Vorgang und berichtete dem zuständigen Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium. Die Abhörpraxis der Amerikaner verstoße gegen das Grundgesetz, gegen das Strafgesetzbuch und sei auch vom Nato-Truppenstatut keineswegs gedeckt. Ein Ministeriumssprecher bestätigte das jetzt auf Nachfrage: "Bundesverteidigungsministerium und Auswärtiges Amt hielten das Abhören von Telefonen bei deutschen Mitarbeitern des George C. Marshall Centers für rechtswidrig." Rechtlich problematisch ist die Praxis nach Meinung des Völkerrechtlers Thilo Marauhn vor allem, wenn es um deutsche US-Zivilangestellte geht und besonders um deutsche Gesprächspartner außerhalb der Militärstützpunkte, da sich "das Telekommunikationsnetz ja einer klaren räumlichen Abgrenzung zwischen dem Gebiet innerhalb und außerhalb der Liegenschaft entzieht". Damit greife das US-Militär "jedenfalls immer dann, wenn ein externer Kommunikationspartner beteiligt ist, in den deutschen Telekommunikationsraum ein".
Unklare Konsequenzen
2007 zog das Bundesverteidigungsministerium Konsequenzen, wie es jetzt mitteilte, und ließ das Auswärtige Amt den stellvertretenden US-Verbindungsoffizier der US-Armee in Europa einbestellen, "um die Rechtslage zu erläutern und dazu aufzufordern, die rechtswidrige Praxis abzustellen". Tatsächlich beendete dann das US-Militär im Februar 2007 nach eigenen Angaben das Abhören der Deutschen im Marshall-Center. Das weltweite Überwachungsverfahren aber wurde fortgesetzt - auch in Deutschland, bestätigt die US-Botschaft in Berlin. Nun aber angeblich in Übereinstimmung mit deutschem Recht. Die Bundesregierung könne die Einhaltung deutschen Rechts fordern, doch Verstöße kämen wohl kaum vor Gericht, meint der Gießener Völkerrechtler Marauhn mit Verweis auf das Nato-Truppenstatut. "Dass sie die Einhaltung deutschen Rechts nicht erzwingen kann, liegt an der, dem traditionellen Völkerrecht eigenen, Präferenz für außergerichtliche Streitbeilegung. Sie hätte dann natürlich auch die Möglichkeit, die Vereinbarung zu kündigen, aber dass ist eine Frage sicherheitspolitischer und außenpolitischer Klugheit." Doch die US-Stellen sagen nicht, wie und wen ihr Militär an den etwa 40 deutschen Standorten weiterhin abhört. Und die Bundesregierung erklärt, sie habe darüber keine Kenntnisse.