Steueroasen systematisch trockenlegen
Die HSBC in Genf hat jahrelang Kriminellen und Geschäftsleuten dabei geholfen, Geld zu waschen und Steuern zu hinterziehen. Zu diesem Ergebnis kommt das Rechercheprojekt Swissleaks, an dem 140 Journalisten aus der ganzen Welt über Monate gearbeitet haben.
Es ist nicht so, dass man internationalen Großbanken nicht allerhand zugetraut hätte. Und trotzdem: Was die HSBC in Genf angerichtet hat, schlägt dem Fass den Boden aus. Eine der größten Banken der Welt hat Drogendealer, Warlords und Waffenhändler hofiert. Der freundliche HSBC-Berater war jahrelang stets zur Stelle, wenn es darum ging schmutziges Geld aus Bürgerkrieg und Diamantenschmuggel zu waschen. Und zwar höchstwahrscheinlich - wenn nicht mit Wissen - so doch mit Duldung seiner Chefs.
Die ausgeklügelte Systematik, mit der die HSBC vorgegangen ist, legt dabei einen unangenehmen Verdacht nahe: Möglicherweise handelt es sich bei Swissleaks um keinen Einzelfall. Die HSBC hätte somit schlichtweg das Pech, dass ausgerechnet ihre Kundenkarteien in beispielloser Weise enthüllt wurden. Es gilt ab sofort noch wachsamer zu sein. Skepsis und Argwohn gegenüber Banken sind mehr als angebracht - das ist die Lehre aus Swissleaks.
Eine besonders schlechte Figur macht in diesem Fall aber nicht nur die Bankenwelt, sondern auch die Schweiz. Ist es vorstellbar, dass Despoten, Terrorfinanziers und Steuerhinterzieher aus der ganzen Welt ihr Geld in der Schweiz bunkern, ohne dass die Behörden davon Kenntnis haben? Wohl kaum.
Swissleaks wirft insofern auch ein grelles Schlaglicht auf einen kleinen Staat, für den Steuerhinterziehung und Geldwäsche jahrzehntelang ein lukratives Geschäft waren. Und offenbar immer noch sind. Denn das einzige Ermittlungsverfahren, das derzeit in der Schweiz in Sachen Swissleaks läuft, richtet sich nicht etwa gegen die HSBC-Bank. Es richtet sich ausgerechnet gegen den Mann, der die Swissleaks-Daten beschafft hat: den Whistleblower Hervé Falciani. Ein irgendwie pervertiertes Verständnis von Recht.
Den Beteuerungen der Schweiz, dass die Zeiten der Nummernkonten und der Geheimabsprachen endgültig vorbei seien, ist dabei mit ebenso viel Skepsis zu begegnen, wie den Versicherungen der HSBC, es habe sich inzwischen alles zum Besten gewandelt. Trotz internationaler Abkommen zum Informationsaustausch in Steuerfragen bleiben vermögenden Steuerflüchtlingen weiterhin zahlreiche Schlupflöcher.
Sicher, die Tage der kleinen Steuerhinterzieher mögen gezählt sein. Heute geht es nicht mehr um die Handwerker-Meister und Ärzte, die ein paar Hunderttausend Euro an der Steuer vorbei schleusen wollen. Heute geht es vielmehr um die Millionenvermögen, die in aufwendigeren Konstruktionen versteckt sind; um die festen Investments in Form von Kunst, Sportbooten und Edelmetall, die von internationalen Abkommen nicht berührt werden. Die internationale Staatenwelt muss die Schweiz weiterhin unter Druck setzen, sich solidarisch zu verhalten.
Und noch ein Wort zu dieser internationalen Staatenwelt: Viele Politiker - nicht zuletzt aus Deutschland - tun in den vergangenen Monaten so, als wäre der internationale Durchbruch beim Thema Steuerflucht und Steuerhinterziehung längst geschafft. Das Gegenteil ist der Fall. Nicht zuletzt aufgrund der öffentlichen Empörung, die sich an internationalen Recherchen zu Offshore-Konten und zur Steuergestaltung in Luxemburg entzündet hat, wurde das Problem der Steuerflucht auf die internationale politische Agenda gehoben. Es braucht noch viel öffentlichen Druck, um die notwendigen Konsequenzen auch umzusetzen. Damit Steueroasen systematisch und nachhaltig trockengelegt werden.