"Paradise Papers" legen den Finger in die Wunde
Geld kennt keine Grenzen - und der Wunsch, dass sich das Geld vermehrt, wohl auch nicht. Dafür wird offensichtlich nach wie vor jedes nur mögliche Steuerschlupfloch genutzt. Mit dem Rechercheprojekt "Paradise Papers" haben Journalisten weltweit und investigativ einen riesigen Datensatz ausgewertet. Es handelt sich um mehr als 13 Millionen geheime Dokumente, die zeigen, wie Konzerne, Superreiche und Politiker aus aller Welt ihr Geld in Steueroasen verstecken und verschieben.
Großkonzerne und Superreiche tricksen so lange herum, bis ihre Steuerlast auf die Größe eines schlechten Witzes zusammengeschrumpft ist. Anwaltskanzleien, die Filialen auf Inseln mit Palmen unterhalten, helfen ihnen dabei. Die Regierungen der Palmen-Inseln auch.
"So what?", mag sich mancher denken, "ist doch normal." Das ist es auch. Es ist ganz normal. Und genau das ist der Skandal.
Legal ist nicht automatisch auch legitim
Steuervermeidung ist für die Stärksten, für die Leistungsfähigsten der Welt ein Klacks. Sie ist leicht. Sie ist leise. Und sie ist oft legal. Man kann sich zu Recht darüber ärgern, dass es mit internationaler Politik offenkundig nicht gelingt, Steuerschlupflöcher zu schließen. Aber das eigentlich Empörende ist die Haltung der Nutzer. Der scheinheilige Hinweis von Firmen und Anwälten, man verstoße doch gar nicht gegen Gesetze.
Nicht alles, was nicht verboten ist, ist erlaubt. Nicht alles, was gerade noch legal sein mag, ist auch legitim.
Der Schaden betrifft uns alle
Wer seine Steuerlast bis zur Unkenntlichkeit drückt, entzieht sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung. Ohne Verantwortungsbewusstsein, ohne Solidarität, ohne Gemeinsinn kann keine Gesellschaft langfristig überleben. Gewinne in Firmengeflechten zu verstecken, hat mit Gemeinsinn nichts zu tun. Es ist das glatte Gegenteil: eine Gemeinheit.
Der Schaden entsteht übrigens nicht irgendeiner abstrakten Steuerkasse, bei der es eh nicht auffällt, wenn die eine oder andere Million fehlt. Der Schaden ist konkret - und er betrifft uns alle.
Superreiche und ihre Privatflugzeuge
Nur ein kleines Beispiel von beliebig vielen: Wenn Superreiche ihre Privatflugzeuge in einem unüberschaubaren Firmen-Ping-Pong verstecken, das am Ende darauf hinausläuft, dass sie ihr eigenes Flugzeug an sich selbst vermieten, sparen sie damit die Mehrwertsteuer.
Auf der ganzen Welt tun das Hunderte Superreiche mit Hunderten von Flugzeugen. Schon bei einem einzigen Privatjet entspricht der Steuerausfall locker der Sanierung einer Grundschule - inklusive Mensa-Neubau.
Mehr Transparenz - immerhin
Wird die Veröffentlichung der "Paradise Papers" dafür sorgen, dass globale Konzerne wieder mehr Steuern zahlen, dass Superreiche ihren moralischen Kompass wiederfinden? Vermutlich nein.
Aber etwas ändert sich: Einer breiten Öffentlichkeit wird bekannt, wer die Konzerne, wer die Politiker, wer die Superreichen sind. Die Sicherheit, unerkannt zu bleiben - die ist weg.