Mitbestimmung im VW-Aufsichtsrat ernst nehmen
Die IG Metall hat ein neues Führungsduo: Die knapp 500 Delegierten beim Gewerkschaftstag in Frankfurt am Main wählten Jörg Hofmann zu ihrem Ersten Vorsitzenden und Christiane Benner zur Stellvertreterin. Eine Herausforderung, die auf Hofmann zukommen wird, ist die Abgasaffäre bei Volkswagen. Denn er übernimmt bei VW das Aufsichtsratsmandat des ehemaligen IG-Metall-Chefs Berthold Huber.
Ein Kommentar von Klaus Boffo, Bayerischer Rundfunk
Kein Thema bestimmt die Gespräche am Rande des IG-Metall-Gewerkschaftstags so sehr wie der Abgasskandal bei Volkswagen. Und die Gewerkschafter sind zu Recht beunruhigt. Denn die Zeche für den angerichteten Schaden, so ist zu befürchten, werden am Ende auch Arbeitnehmer bezahlen.
Gerade deshalb hätte die Gewerkschaft allen Grund, auch nach ihrem eigenen Anteil an der VW-Misere zu fragen. Doch leider: Fehlanzeige. "Die Mitbestimmung bezieht sich nicht auf die Frage, welche Komponenten in einen Motor eingebaut werden", erklärte kürzlich der scheidende IG-Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel. Eine allzu billige Art, von der eigenen Verantwortung abzulenken. Denn wozu, bitte, soll denn Mitbestimmung taugen, wenn nicht dazu, Schaden abzuwenden von den Beschäftigen?
Kenner der internen Verhältnisse beim Volkswagen-Konzern sagen, es sei nahezu unvorstellbar, dass die Betriebsräte und die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nicht mitbekamen, was da von den Ingenieuren ausgeheckt wurde. In keinem Unternehmen Deutschlands, ja vermutlich der ganzen Welt, hat die Gewerkschaft einen so großen Einfluss, ein so enges Netz an Informanten und Zuträgern wie bei VW. Aber statt sich als Widerpart der Kapitaleigner und Aktionäre zu begreifen, ließen die Gewerkschaftsvertreter sich buchstäblich einwickeln ins System VW. Bis zur regelrechten Bestechung ging das vor einigen Jahren - Stichwort: Lustreisen.
Das ist vorbei, doch nach wie vor tummeln sich in Ferdinand Piëchs Großfürstentum Arbeitnehmerbarone mit guten Apanagen, ganzen Stäben von Vasallen - und nicht wenigen dicken Kutschen. Welch armseliges Verständnis von Interessenvertretung!
Als große Errungenschaft und weltweites Vorbild preisen Gewerkschafter die 1976 eingeführte Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten. Der VW-Skandal - und er ist ja nicht der erste seiner Art - beweist leider das Gegenteil. Selbstherrlichkeit kommt vor dem Fall - das sollten sich nicht nur Unternehmensmanager hinter die Ohren schreiben, sondern auch Gewerkschafter. Gerade bei der vor Kraft strotzenden IG Metall.