NDR Info - Redezeit
Dienstag, 20. Dezember 2022, 20:33 bis
22:00 Uhr, NDR Info
Die Kindermedizin erlebt derzeit einen Stresstest, dem sie kaum noch standhalten kann. Ungewöhnlich viele Atemwegserkrankungen sind vor allem für die Allerkleinsten eine Gefahr. Gleichzeitig sind die Kliniken am Limit, Arztpraxen überfüllt, Medikamente vielerorts nicht zu bekommen – es fehlt am Nötigsten. Wie konnte es so weit kommen? Wurde die Kindermedizin zu lange vernachlässigt?
"Kinder sterben, weil wir sie nicht mehr versorgen können", so beschreibt der leitende Oberarzt der Kinderintensivmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover, Michael Sasse, die aktuell schlimmste Situation. Zum Alltag jedoch gehören überbelegte Klinikzimmer und sechs bis sieben Stunden Wartezeit in der Notaufnahme. Vielerorts liegen die Nerven derart blank, dass - nach Einschätzung des Deutschen Roten Kreuzes - das ohnehin überlastete Personal zunehmend damit Drohungen und Gewalt durch Eltern ausgesetzt ist. Wie kann kurzfristige Abhilfe aussehen? Können ambulante Kinderärztinnen und -ärzte unterstützen? Wie bewältigen sie den Mangel an Hilfsmitteln und Medikamenten für die kleinsten Patientinnen und Patienten. Welcher Rat geht an die betroffenen Eltern?
Gefährdung der kleinsten Patienten - eine hausgemachte Notlage?
Das Problem besteht nicht erst seit der aktuellen RS-Virus-Welle oder den Jahren der Corona-Pandemie. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) kritisiert eine systematische Unterfinanzierung. So seien mancherorts nicht nur die akuten Notfälle, sondern auch die Versorgung chronisch kranker Kinder gefährdet. Laut jüngster DIVI-Erhebung ist in den vergangenen 20 Jahren rund ein Drittel der Klinikbetten für Kinder abgebaut worden, während parallel dazu die Anzahl der behandelten Kinder gestiegen ist. Verschärfend hinzu kommt der Personalmangel: Die Kliniken geben an, 25 bis 40 Prozent ihrer Betten nicht nutzen zu können, weil keine Schwestern und Pfleger vorhanden sind. Ein Fehler im System? Helfen die kurzfristigen Finanzspritzen des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) - oder sein Appell, Personal von anderen Stationen zu den Kindern zu verlagern? Ist die derzeitige Notlage der Kindermedizin womöglich ein Weckruf für Politik und Gesellschaft?
NDR Info Moderator Gerd Wolff begrüßte als Gäste:
Dr. Agnes Genewein
Vorständin des Kinderkrankenhauses „Auf der Bult“, Hannover
Dr. Charlotte Schulz
Sprecherin des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Hamburg
Prof. Dr. Andrew Ullmann
gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion