"Für mich ist der Ramadan ein schöner Monat"
Heute beginnt der islamische Fastenmonat Ramadan. Auch für Muslime, die in Norddeutschland leben, bedeutet dies, dass sie einen Monat lang tagsüber nichts essen und trinken sollen - von der Morgendämmerung bis Sonnenuntergang.
Für Edin Kralani aus Bad Oldesloe wird der erste Fastentag extra früh beginnen. Um 3.50 Uhr will der 29-Jährige aufstehen, um noch rechtzeitig vor der Fastenzeit ein Frühstück einzunehmen. "Ich esse dann Eier mit Brot, Gurke, eine Orange und Joghurt", sagt Kralani. Zudem versucht der Familienvater, zwei Liter Wasser zu trinken. Denn vom Frühstück bis zum Sonnenuntergang wird der Muslim nichts mehr trinken und essen. Gegen 7.40 Uhr fährt er dann wie gewohnt zur Arbeit ins Büro. Die ersten drei Tage des Fastens seien anstrengend. "Aber man gewöhnt sich schnell daran", sagt Kralani. Und dann sei das Fasten im Alltag eigentlich ganz einfach.
Auch der bald 90-jährige Großvater fastet
Das Fasten im Monat Ramadan ist in seiner Familie fest verankert. "Seit ich denken kann, also schon als kleines Kind, habe ich erlebt, wie meine Eltern fasten", erzählt Kralani. "Deshalb begleitet es mich das ganze Leben lang. Es tut mir auch immer gut. Ich komme mal runter im Ramadan, denn sonst bin ich eher ein hibbeliger Typ. Ich spüre in diesem Monat auch die Verbindung zu Gott besonders." Alle Bekannten und Freunde in seinem Alter würden ebenfalls fasten, sagt Kralani. "Sogar mein Großvater, der bald 90 Jahre alt wird, macht noch mit. Da habe ich großen Respekt vor. Er ist nicht mehr der Jüngste, aber er hat so einen starken Glauben, dass er es auch schafft."
Viel mehr als der Verzicht auf Essen und Trinken
Edin Kralani freut sich auf den Ramadan. Für ihn ist es ein schöner Monat. Der Fastenmonat bedeute viel mehr als der Verzicht auf Essen und Trinken. "Das Fasten ist nur eine Seite des Ramadan: Man nennt den Monat auch den 'Monat der Barmherzigkeit'. Denn man versetzt sich zum Beispiel auch in Menschen, die kein Essen haben. Man spendet viel in diesem Monat, betet häufig. Und man ist viel mit der Familie zusammen." Das Fastenbrechen am Abend leitet Kralani traditionell mit einer Dattel und einem Glas Wasser ein.
Zu Ramadan: Nicht streiten, nicht schimpfen
Auch Mohammad Alkilzy von der Islamischen Gemeinde in Greifswald betont, dass es im Ramadan nicht allein um das Fasten geht. "Es ist eine Zeit, in der man sich bewusst Zeit zum Nachdenken nimmt. Dazu gehört auch, dass man sich weniger von seinem Smartphone und den Social-Media-Kanälen ablenken lässt. Das fällt vor allem vielen Jugendlichen schwer", sagt Alkilzy. "Zudem nehmen wir Muslime uns zu Ramadan vor, nicht zu streiten, nicht zu schimpfen und niemanden zu mobben." Der Vorstand der Islamischen Gemeinde freut sich, dass nach drei Jahren Corona-Pandemie nun wieder zu Ramadan größere Treffen in der Moschee in Greifswald unbedenklich möglich sind - zum gemeinsamen Beten und Fastenbrechen.
Seit der Pandemie: Fastenbrechen per Videostream
Nejla Coskun aus Hannover schildert, dass die Pandemie das allabendliche Fastenbrechen teilweise verändert hat. Die 47-jährige Pädagogin ist stellvertretende Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Niedersachsen. In den zurückliegenden drei Jahren habe sich eine moderne Variante des Fastenbrechens etabliert. Denn lange Zeit war das Essen im großem Kreis - zu Hause mit Verwandten und Freunden oder in der Moschee - nicht oder nur eingeschränkt möglich. "Man macht nun Videokonferenzen, trifft sich mit den Familien online. Jeder hat für sich gekocht, der Tisch ist gedeckt. Und man speist gemeinsam, auch wenn es nur auf einer digitalen Plattform ist."
Nejla Coskun hofft aber, dass sich dieser digitale Trend mit dem Abflauen der Pandemie abschwächt. Schließlich sei ein echtes Treffen viel schöner, findet die Muslimin.
Weniger Essen, dafür mehr Spenden für Erdbeben-Opfer
Ein besonderes Thema während des Ramadan sind in diesem Jahr die verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien. "Ich erlebe in meinem Umfeld, dass tagtäglich darüber gesprochen wird, wie man den Menschen dort helfen kann", berichtet Nejla Coskun. "Man versucht, die Feste zum Fastenbrechen zu minimieren und das Geld, das man für das Essen ausgeben würde, an die notleidenden Menschen zu geben. Die Nächstenliebe fängt damit an, dass man mit weniger glücklich ist."
Denn eigentlich sei das Fastenbrechen vom Aufwand her mit Heiligabend zu vergleichen: Die ganze Familie sitze in großer Runde zusammen, das beste Besteck und das beste Essen komme auf den Tisch, sagt Coskun. Dieses Jahr würden viele Familie aber lieber für die Hilfe in den Erdbeben-Gebieten spenden.