Warum bleibt alles teuer trotz sinkender Inflation?
Die Inflation ist im Juni deutlich gesunken. An den Supermarktkassen fühlt sich das aber noch anders an. Das hat verschiedene Gründe. Gewinner ist nicht unbedingt der Handel.
Die gute Nachricht zuerst: Die Inflation in Deutschland hat sich im Juni laut Statistischem Bundesamt stark abgeschwächt. Sie lag nur noch bei 2,2 Prozent im Vergleich zu 6,4 Prozent vor einem Jahr. Das liegt vor allem daran, dass die Energiepreise gesunken sind - und zwar um gut zwei Prozent. Zugleich aber verteuerten sich Lebensmittel weiter, allerdings nur um ein Prozent.
Preise für Lebensmittel steigen seit Jahren
"Das klingt zwar wenig, muss aber in einem größeren Zusammenhang gesehen werden", erklärt Susanne Tappe aus der NDR Info Wirtschaftsredaktion. Zum einen handelt es sich um einen Durchschnittswert aller Lebensmittel. Vor allem aber bezieht sich der Wert auf den von vor einem Jahr. Und damals waren die Preise für Lebensmittel schon sehr viel höher als vor ein paar Jahren.
Blickt man auf die Zeit vor der Corona-Pandemie und damit auch vor dem Ukraine-Krieg verändert sich das Bild. Eine Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass Lebensmittel seit Januar 2020 im Schnitt um rund ein Drittel teurer geworden sind. Das kommt bis heute bei den Verbrauchern an.
Viele Grundnahrungsmittel um 50 Prozent teurer
Dabei haben sich Grundnahrungsmittel extrem verteuert. Zucker ist rund 80 Prozent teurer geworden. Mehl, Kartoffeln, Speisefette und Öle kosten rund 50 Prozent mehr als noch Anfang 2020 und Geflügelfleisch ist etwa 40 Prozent teurer. Hinzu kommen die gestiegenen Preise für viele Rohstoffe. Die schlagen sich dann auf andere verarbeitete Produkte nieder. Brot und Brötchen kosteten im Mai rund 35 Prozent mehr als noch vor gut drei Jahren. Und weil Vollmilch fast 30 Prozent teurer geworden ist, stieg der Preis für Käse um knapp 45 Prozent.
Die Gründe für die Teuerungen sind vielfältig, angefangen bei der Corona-Pandemie, als viele Lieferketten abrissen. Mit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine, der "Kornkammer Europas", wurde am Weltmarkt Getreide knapp. Zudem haben die gestiegenen Energiepreise den Transport und die Weiterverarbeitung von Lebensmitteln verteuert, aber zum Beispiel auch die Produktion von Dünger und Pestiziden.
Gute Zeiten für Spekulanten
Zugleich ist der weltweite Handel mit Rohstoffen auch ein Geschäft für Spekulanten. "Die kaufen zum Beispiel Zucker oder Mehl auf, wenn sie billig sind, verknappen dadurch das Angebot zusätzlich und verkaufen sie dann später deutlich teurer weiter. In Kriegszeiten florieren solche Geschäfte noch mal besonders", sagt Susanne Tappe. Auch Ernteausfälle durch den Klimawandel spielen eine Rolle. Wegen der extremen Trockenheit in Südeuropa hat sich der Preis für Olivenöl zum Beispiel verdoppelt.
Und dann will auch noch der Handel, also die Supermärkte, etwas verdienen. "Die kassieren zum Teil schon ordentliche Margen", betont Tappe. Rewe hat vergangenes Jahr über alle Waren und Dienstleistungen hinweg rund 20 Prozent auf die Einkaufspreise geschlagen, wie das "Handelsblatt" berichtet. Bei anderen Supermärkten fallen die Preisaufschläge geringer aus. Bei Edeka zum Beispiel waren es 2023 etwa zehn Prozent.
Rewe hoch verschuldet
Knallen ob der hohen Preise bei Rewe also die Champagner-Korken? Weit gefehlt. "Rewe ist mit mehr als 16 Milliarden Euro gerade hochverschuldet", erklärt Susanne Tappe. Daher verdienen die Geldgeber, also die Banken, mit den Kreditzinsen zurzeit mehr als die Eigentümer.
Das liegt zum Teil am Kerngeschäft. Die Lager sind voll mit unverkauften Waren. Zum Teil liegt es aber auch an Tochterunternehmen des Konzerns, die nur ganz am Rande mit dem Supermarktgeschäft zu tun haben. Der Lieferservice Rewe-to-go etwa, der schreibt seit seinem Start 2011 nur rote Zahlen und alles in allem betrug der Jahresüberschuss von Rewe im vergangenen Jahr gerade einmal 0,9 Prozent.