Urban Mining - Zweites Leben für alte Bauteile
Die Baubranche beschäftigt sich immer mehr mit nachhaltigen Konzepten: Entscheidend sind dabei auch sogenannte Bauteilbörsen zum Sammeln und Katalogisieren ausgebauter Bauteile.
Die Lagerhalle in einem Bremer Industriegebiet ist ziemlich groß - und das muss sie auch sein. Fast sieht es aus wie in einem Baumarkt: Überall stapeln sich große und kleine Bauteile: von Haustüren in neu und historisch, einzelnen Schlössern, über Lampenschirme bis zu Heizungen und Fensterscheiben. Mehr als 1.600 gebrauchte Bauteile lagern hier, einige sogar aus dem Jahr 1850. Auf den ersten Blick wirkt es unübersichtlich. Doch Katrin Fiedler von der Bauteilbörse Bremen hat den Überblick. Alle Teile sind nummeriert und in einer digitalen Datenbank katalogisiert.
Online können sich Interessenten schlau machen, sagt Fiedler. "Am schönsten ist natürlich, wenn die Leute zu Hause schon mal gestöbert haben, dann mit der Artikelnummer kommen und sagen, was sie sich gerne mal angucken würden." Oft sei es hilfreich, wenn Interessenten zudem die genauen Maße zum Beispiel für eine Haustür mitbrächten. Die Datenbank würde dann das passende Bauteil suchen und finden.
Bauteilbörse gilt noch als Insidertipp
Nach über 15 Jahren Erfahrung weiß das Team der Bauteilbörse, welche Teile besonders gefragt sind. Fenster aus den 60er-Jahren gingen eher schwierig weg und die würden sie beispielsweise nicht annehmen, erzählt Katrin Fiedler. Anders als in der Bauteilbörse Hannover lagern in Bremen keine Möbel. Dafür reiche der Platz nicht aus. Manchmal hat Fiedler den Eindruck, dass die Bauteilbörse noch ein Insidertipp ist. Inzwischen hätten sie einige Stammkunden: "Einige Architekten rufen uns immer wieder an. Es gibt Abrissunternehmer, die melden uns, wenn schöne Sachen zu haben sind. Es gibt auch viele Privatleute, die oft aus ideologischen Gründen kommen oder weil sie was Historisches, Schönes wollen, was man so neu gar nicht mehr bekommt."
Spezielle Anforderungen an Bauteile
Die Bremer Architektin Ute Dechantsreiter ist auf nachhaltiges Bauen spezialisiert. Sie hatte die Idee zur Gründung der Bauteilbörse nach einem Beispiel aus der Schweiz. Sie hat auch das nachhaltige Konzept mit der Wiederverwendung alter Bauteile für den Neubau der Stadtwerke Neustadt in Holstein entworfen. Dort finden sich etwa Fliesen aus den 70er-Jahren, alte Eichenbalken für die Außenfassade und Teppichboden aus alten Fischernetzen. Das ist nachhaltig, aber der Prozess des Suchens und Findens ist aufwendig. Teil ihres Entwurfes waren auch 300 Bürotrennwände aus einem Hochhaus in Hamburg: "Es war ja die Idee, der Auftraggeberin hier Gebrauchtes in einen Neubau einzubauen. Wir mussten dann nur darauf achten, dass die Anforderungen an den neuen Einsatzort von den gebrauchten Bauteilen, dass das Material auch qualitativ so hochwertig ist, damit es dort eingesetzt werden kann", erzählt Dechantsreiter. Zudem habe sie genug Zeit bekommen, gebrauchtes Material zu finden, das für den Neubau passte und aus der Region stamme. Denn dann sei der Einsatz gebrauchter Teile besonders nachhaltig - ohne lange Transportwege.
Noch zu wenig Nachfrage
Gerade bei großen Gebäuden sei es noch schwierig mit gebrauchten Bauteilen zu arbeiten. Noch gibt es nach Einschätzung der Bremer Architektin keine echten Absatzmärkte. Ähnlich wie in der Schweiz bräuchte es ihrer Meinung nach eine Verwaltungsvorschrift für die Verwendung von Recycling-Beton - dann würden sich auch die lokalen Unternehmen darauf einstellen und die Nachfrage würde steigen. Gerade Recycling-Beton spare Ressourcen, aber vor allem müsse er aus der Region kommen, um wirklich klimafreundlicher zu sein als Primärbeton. "Wir wollen ja CO2 mindern. Und das können wir nur, wenn wir die Materialien nicht weiter als 40 Kilometer transportieren. Also hier auch noch einmal genau auf den Lebenszyklus gucken und die Sachen regional und dezentral organisieren. Das ist das Ziel", sagt Ute Dechantsreiter. Oft lande eine halbe Palette Steine im Müllcontainer und damit auf der Mülldeponie.
Netzwerk notwendig
Die Architektin würde sich mehr Austausch in Deutschland wünschen, ein flächendeckendes Netz von Bauteilbörsen, Bauteil-Lagern und gebrauchten Bauteilmärkten: "Das große Problem ist ja, dass wir nicht nur das hier anbieten. Wir sind hier angewiesen, Rückbauten heute so zu gestalten, dass Bauteile, die wiederverwendbar sind, wirklich in den Kreislauf zurückkommen. Das ist schon gesetzlich verankert." Doch gleichzeitig müsse es wirtschaftlich sein und in einem größeren Rahmen sei das noch schwierig: "Optimal wäre es, man hätte überall Bauteilbörsen. Die Anlieferung wäre hier gesichert. Und auch der Verkauf über Fachleute. Und schon hätten wir einen Baustein." Außerdem müsse die Akzeptanz bei der Bevölkerung für solche nachhaltigen Bauteile steigen. "Also die, die bauen, und die auch sanieren, müssten jetzt als Erstes mal in den Gebraucht-Baumarkt gehen, bevor sie sich was Neues kaufen", fordert Dechantsreiter.
Senkung der Mehrwertsteuer könnte helfen
Noch ist die Idee von gebrauchten Bauteilen nicht flächendeckend verbreitet und es braucht noch mehr politische und wirtschaftliche Anreize. Die Architektin Ute Dechantsreiter fordert eine Senkung der Mehrwertsteuer auf gebrauchte Materialien. Schließlich seien diese ja schon einmal besteuert worden. Dechantsreiter hat den Bundesverband Bauteilnetz gegründet. Dabei geht es auch um Wissensvermittlung an die Baubranche aber auch Studierende, die sich zunehmend mit nachhaltigem Bauen auseinandersetzen. Neben der Wissenschaft müsse es aber auch mehr Unternehmen geben, die sich auf hochwertiges Recyceln spezialisieren.