Haus aus Müll: Der Recycling-Bau in Hannover
Der mit Abstand meiste Abfall kommt in Deutschland aus dem Baubereich - mehr als 50 Prozent. In Hannover will man etwas dagegen tun. Dort entsteht derzeit ein Recyclinghaus. Bis auf die Haustechnik – Heizung, Wasser und Stromleitungen – sollten nur recycelte Materialien verbaut werden. Warum das nicht ganz einfach war, und was der Bauherr dabei gelernt hat, berichten die NDR Info Perspektiven.
Im Stadtteil Kronsberg in Hannover, in der Nähe des ehemaligen Expo-Geländes, entsteht derzeit ein ganz besonderes Haus. Es ist rund 150 Quadratmeter groß. Die Treppengeländer stammen aus einem ehemaligen Freizeitheim. Die Wände sind weitgehend aus Holz, so die Projektleiterin Corinna Stubendorff: "Das Besondere an diesem Holzbau ist, dass es eine komplett leimfreie Version ist. Das heißt, dass massive Schichtholzplatten mit Holzschrauben zu Wandelementen verschraubt werden. Man könnte es also als reines Holz wieder entnehmen."
Ein zeit- und kostenintensives Projekt
Die ursprüngliche Idee war, ausschließlich Recyclingmaterial zu verwenden. Aber das, so stellte sich heraus, ist gar nicht so leicht. "Bei den Fenstern kann ich nicht einfach bei einem Fensterhersteller anrufen und sagen, welche Maße ich brauche, sondern ich muss loslaufen und gucken: Wo gibt's denn überhaupt gebrauchte Fenster? Der Rechercheaufwand ist einfach deutlich höher", erklärt Stubendorff. Mittlerweile gibt es sie, die gebrauchten Fenster für das Recyclinghaus. Obwohl sie nur zehn Jahre alt sind, entsprechen sie nicht den hohen Vorgaben in Sachen Wärmedämmung. Deshalb bleiben die Rahmen, wie sie sind. Die Scheiben allerdings wurden ausgetauscht. Im Ergebnis sind die recycelten Fenster sogar teurer als neue.
Experiment mit Lerneffekten
Das Recyclinghaus in Hannover ist etwas ganz Besonderes geworden: schönes Steinzeug für die Böden, ausgewählte Hölzer für die Wände. Aber mittlerweile ist der Anspruch geschrumpft: Es sind nicht mehr 100 Prozent Recycling. Im Zweifelsfall sollen die Materialien des Hauses zumindest einmal wiederverwendet werden können. Franz Gerbens vertritt den Bauherrn, das Wohnungsunternehmen Gundlach mit rund 4.000 Wohnungen in Hannover. "Man hatte schon ein paarmal Lust zu sagen: Ach, wir lassen es", lacht er. "Aber dann sind wir doch drangeblieben - und jetzt kommt so langsam der Stolz durch. Man sieht, dass es etwas wird."
Das Recyclinghaus ist ein Experiment und es bleibt ein Unikat - allerdings mit Lerneffekten. So enthält zum Beispiel der Beton für die Bodenplatte Recyclingmaterial. Das hilft auch auf der Energieseite. Der Architekt Niels Nolting erklärt, warum das so ist: "Die Energie ist schon einmal in die Bauteile geflossen, als sie ursprünglich hergestellt wurden. Und diese Energie sparen wir durch die Verwendung gebrauchter Bauteile ein."
Der Normalfall: Energie einsparen, Sondermüll produzieren
Ein entscheidender Faktor ist die Energieeinsparverordnung EnEV. Sie schreibt im Wesentlichen vor, wie hoch der Energiebedarf eines Gebäudes ist. Sie erfasst aber weder, wie viel Energie beim Bau benötigt wird, noch wie viele Ressourcen insgesamt verbaut werden. Vor allem führt die EnEV dazu, dass die Häuser zunehmend eingepackt werden - mit Styropor, Steinwolle, Bitumen und Putz. Alles wird so stark miteinander verklebt, dass man die Schichten kaum mehr auseinanderbekommt. Daraus entsteht jede Menge Sondermüll.
Ökologisches Bauen will das verhindern. Energieeffizienz ist ein wichtiges Thema, und wird es bleiben. In Zukunft geht es aber vermehrt darum, den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden ins Auge zu fassen. Nach dem Motto: Material durch Intelligenz ersetzen.