Schlampereien beim Baggern nehmen kein Ende
Am 10. März 2014 starben in Itzehoe bei einer Gasexplosion vier Menschen, 15 weitere wurden verletzt. Wir hatten eine Woche nach dem Unglück berichtet. Der Verdacht: Baggerarbeiten vor dem Haus am Morgen der Explosion könnten die Ursache gewesen sein. Ein Forschungsbericht des Instituts für Bauforschung aus Hannover stützte damals diese Vermutung. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass jährlich hochgerechnet 800.000 Kabel und Leitungen bei Baggerarbeiten beschädigt werden. Darunter auch die gefährlichen Gasleitungen.
Ermittlungen bestätigen Verdacht
Experten des Landeskriminalamtes konnten nach monatelangen Ermittlungen die Ursache für die Explosion eingrenzen. Im August stand fest: Die Gasleitung war nicht korrekt in die digitalen Karten der Stadt eingezeichnet worden. Kratzspuren an der Gasleitung im Bereich des Hauses belegen: Die Leitung wurde mit der Baggerschaufel angehoben. Dadurch riss die Leitung an einer Muffe im Keller des Hauses ab, Gas strömte aus, bis es zur verheerenden Explosion kam.
Anwohner Hans Hermann Süllau erinnert sich noch gut an die Explosion: "Nach diesem gewaltigen Knall kam ja dieser Schotteregen, der prasselte über das ganze Haus, über das ganze Grundstück.“ Dem erfahrenen Klempner war damals sofort klar, das muss eine Gasexplosion gewesen sein. Noch immer hat er die verletzten Passanten vor Augen, die in der Staubwolke herum irrten. Und es bleibt dieses ungute Gefühl, dass so etwas noch einmal passieren könnte, denn noch immer wird in der Gegend gebaggert.
Mangelnde Arbeitssorgfalt
Die für die Bauarbeiten verantwortlichen Stadtwerke haben mit Verweis auf die laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eine Stellungnahme gegenüber Panorama 3 abgelehnt. Bürgermeister Andreas Koeppen betonte in einem Interview, es sei "das A und O, dass wir Pläne haben, auf die wir uns verlassen können. Deshalb haben die Stadtwerke ja begonnen, ihre Pläne zu bearbeiten und zu überprüfen."
Mit richtigen Plänen allein lässt sich das Problem von Leitungsschäden bei Baggerarbeiten nicht lösen. So sieht es Heike Böhmer von Institut für Bauforschung in Hannover. In Gebieten in denen Leitungen vorkommen können, sei "immer noch die Vorgabe mit der Handschachtung vorne weg." Das bedeutet, dass sich ein Arbeiter mit der Schaufel langsam vortastet und nach Leitungen sucht, bevor der Bagger zum Einsatz kommt. So sei es vorgeschrieben, betont Heike Böhmer. Der Forschungsbericht des Instituts konnte für fast 90 Prozent aller Leitungsschäden bei Erdarbeiten "mangelnde Arbeitssorgfalt" ermitteln.
Sicherheitsinitiative von Politik und Bauwirtschaft
In Niedersachsen macht sich Sozial- und Bauministerin Cornelia Rundt für höhere Sicherheitsstandards bei Erdarbeiten stark. Die Ministerin ist erste Vorsitzende des Instituts für Bauforschung in Hannover und will in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Institut an die Öffentlichkeit gehen, um über das Problem zu informieren.
Die Botschaft: Schäden an Leitungen durch Tiefbauarbeiten verursachten nach wie vor große finanzielle Schäden und Nutzungsausfälle und könnten - wie im Falle von Gasleitungsdefekten - auch eine Sicherheitsgefährdung darstellen. "Das ist auch der Grund, weshalb wir ganz gezielt mit Schulungen dafür sorgen wollen, dass das Thema Beschädigungen von Leitungen bei Baumaßnahmen wirklich nochmal in den Vordergrund rückt", so die Ankündigung der Ministerin. Geplant ist also eine Qualitätsoffensive gemeinsam mit der Bauindustrie.
Der Forschungsbericht des Instituts verweist auch auf die Verantwortung der öffentlichen Auftraggeber von Tiefbauarbeiten. Die notwendigen Handschachtungen und Leitungsortungen sollten schon in den Ausschreibungen gesondert aufgeführt werden.