Nach FDP-Mitgliedervotum: Basis wünscht sich "klare Kante"
Wie ist derzeit die Stimmung bei der FDP, deren Parteimitglieder nur ganz knapp für einen Verbleib in der Ampel gestimmt haben? NDR Info hat sich im Norden kurz vor dem traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen am Sonnabend umgehört.
Benedikt Ziegler betritt das Kino in Ratzeburg. Hier trifft sich gleich der Kreisvorstand der FDP. Ziegler ist 21 Jahre alt, macht eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Er gehört zu den Jungen in der Partei und er hat gegen den Verbleib in der Ampel gestimmt, denn er habe das Gefühl, sagt er auf Nachfrage, "dass wir uns den anderen Koalitionspartnern zu sehr unterwerfen und nicht unsere eigenen Ansichten durchsetzen".
Knappes Ergebnis für Verbleib in der Ampel
Am Rande des Foyers sitzt ein Teil des Vorstands, drei Männer und eine Frau. Ziegler setzt sich zu ihnen. Weitere Mitglieder sind online dabei. Der Computer steht mitten auf dem Tisch, Popcorn und Getränke daneben. Sie wollen über die Befragung diskutieren, an der bundesweit mehr als ein Drittel der Mitglieder teilgenommen haben. 52 Prozent haben für den Verbleib in der Ampel votiert, 48 Prozent dagegen. Ein knappes Ergebnis.
"Ergebnis spiegelt die Zerrissenheit der Partei wider"
Kreisvorstand Martin Turowski eröffnet die Debatte. Ihn würde mal interessieren, wie die anderen das Ergebnis interpretierten. "Ich selber habe schon von vornherein gesagt, dass ich das erst mal gut finde, weil wir in die Diskussion kommen, und weil wir so unsere Partei ein Stück weit nach vorne treiben können."
Martin von Zech meldet sich per Video zu Wort. Er ist bei der Landtagswahl als Direktkandidat der FDP für den Kreis Lauenburg angetreten. Er gehört zu denjenigen, die nicht gewählt haben, "weil ich ehrlich gesagt nicht genau wusste, was ich wählen soll". Es habe Tage gegeben, da hätte er für einen Austritt gestimmt, an anderen für einen Verbleib. "Ich glaube, das Ergebnis spiegelt die Zerrissenheit der Partei wider."
Kritik vor allem an Wirtschaftspolitik
Von Zech teilt viele Ansichten der Ampelgegner. Auch er findet, dass die Ampel keine vernünftige Politik macht. Die Wirtschaftspolitik sei zum Beispiel katastrophal. Dem stimmt der junge Benedikt Ziegler zu. Man sehe doch ganz genau, "was die Absichten von einem Robert Habeck sind". Habeck habe, so Ziegler, "gar keine Ahnung von Wirtschaft und destabilisiert jeden Tag aufs Neue das Land, und das ist doch das Problem".
"Was wird besser, wenn wir aus der Koalition austreten?"
Hartmut Angenendt ist Schatzmeister im Vorstand und seit 35 Jahren in der FDP. Er hat für den Verbleib in der Ampel gestimmt, auch wenn er die bisher vorgetragenen Argumente gut verstehe. "Aber für mich ist einfach die Frage, was wird besser, wenn wir aus der Koalition austreten?" Angenendt wünscht sich wie praktisch alle hier eine klare Kante in der Wirtschaftspolitik und eine harte Gangart bei der Schuldenbremse und in Fragen der Migration. Kreisvorsitzender Martin Turowski findet es gut, dass es so viele Gemeinsamkeiten gibt. Auch wenn bei der Befragung die eine Hälfte für die Ampel und die andere Hälfte dagegen gestimmt hat, "habe ich nicht das Gefühl, dass die Partei gespalten ist".
Hamburger FDP-Politiker verärgert über Ampel-Kritiker
Wenn man den ehemaligen Chef der Hamburger Jungliberalen, Carl Cevin-Key Coste, auf die Gegner der Ampel-Koalition anspricht, wird der schnell ärgerlich: Er habe immer noch nicht ganz verstanden, sagt er NDR Info am Telefon, was so viele FDP-Mitglieder auf einmal gegen die Ampel aufgebracht hatte, dass sie eine Befragung durchsetzten. "Meinem Gefühl nach geht es den meisten gar nicht um das eine oder andere Projekt, dem sie nicht zustimmen. Meines Erachtens wollen die eine ganz andere Politik", sagte Coste.
Sozialliberale Mitglieder wie ihn, die der Ampel ganz grundsätzlich positiv gegenüberstehen, gibt es in Ratzeburg offenbar nicht. Zumindest haben sie sich nicht zu Wort gemeldet. Dabei hat auch Coste Kritik an der Ampel. Er finde es zum Beispiel negativ, dass die FDP in der Ampel vor allem als "Bremser und Blockierer" wahrgenommen werde. Das müsse sich schnell ändern.
Ergebnis der Befragung wird akzeptiert
Bei der Sitzung des Kreisvorstandes in Ratzeburg ist klar geworden, dass der Frust über die Ampel hier zwar groß ist, doch das Ergebnis der Befragung akzeptiert wird. Selbst Benedikt Ziegler will nicht mehr die Koalition abschaffen. Eine weitere Ampel könne er sich allerdings auch nicht vorstellen. Das Thema sei für ihn "durch".