Mehr Messerangriffe oder nicht?
Kaum ein Tag vergeht ohne Meldungen über Angriffe mit Messern. Das Messer gehört bei vielen jungen Männern offenbar dazu. Gefühlt gebe es mehr Messerträger als früher und wer ein Messer bei sich trage, der sei womöglich auch dazu bereit es einzusetzen, warnt Dirk Hallmann. Der Polizist ist Dienststellenleiter der Raschplatzwache in Hannover und damit auch zuständig für das Amüsierviertel am Steintor. Seine Streifenpolizisten müssen immer damit rechnen, dass ihr Gegenüber ein Messer bei sich hat. Doch für eine Zunahme von Delikten mit Messern gibt es keine validen Zahlen. Noch nicht.
Solche Angriffe werden bisher in vielen Bundesländern gar nicht, in anderen nicht einheitlich länderübergreifend erfasst. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht teilt Panorama 3 auf Anfrage mit: "Wir haben die Anfragen zum Tatmittel Messer zum Anlass genommen, uns mit der Thematik vertieft auseinanderzusetzen. Dies wollen wir im Rahmen der bevorstehenden Innenministerkonferenz tun. Ich bin offen dafür, Messerangriffe künftig genauer zu erfassen." Sachsen-Anhalt hat momentan den Vorsitz der Innenministerkonferenz. Zahlen und Tätergruppen sollen offenbar bundesweit einheitlich erfasst werden.
Waffenrecht begünstigt Messermachos
Für Dienststellenleiter Dirk Hallmann muss das Messerproblem bekämpft werden, bevor es überhaupt zur Tat kommen kann. Man benötige in einer Zivilgesellschaft kein Messer und müsse deshalb infrage stellen, warum so etwas überhaupt mitgeführt werde, gibt Hallmann zu bedenken. Polizisten sehen sich im Einsatz mit einem komplizierten Waffenrecht konfrontiert.
Einige Messer sind nach deutschem Recht verboten, man darf sie also gar nicht besitzen. Dazu gehören sogenannte Butterflymesser, die sich noch in den 70ern und 80ern bei Halbstarken großer Beliebtheit erfreuten. Andere, wie zum Beispiel stehende Messer mit einer Klingenlänge von über zwölf Zentimetern, darf man zwar besitzen, sie aber nicht in der Öffentlichkeit dabei haben. Noch komplizierter wird die ganze Sache durch Hunderte Anbieter und Messerformen.
Polizei oft machtlos
Panorama 3 hat exklusiv an einem Messertraining für niedersächsische Polizisten teilgenommen. Hier werden Beamte im komplizierten Waffenrecht geschult und trainieren, wie sie sich bei einem Messerangriff verhalten können. Trainer Mathias Ernst kritisiert die Anwendung des Waffenrechts als "oft nicht nachvollziehbar“.
Ein Messer sei verboten, ein anderes, das ganz ähnlich aussehe, erlaubt. Und beschlagnahmte Messer würden später oft wieder ausgehändigt, weil der Besitz nicht verboten sei, sondern nur das Tragen in der Öffentlichkeit. Fällig würde dann, wenn überhaupt, lediglich ein Bußgeld. Oft müssen beschlagnahmte Messer auch an das Bundeskriminalamt geschickt werden. Dort wird dann entschieden, ob dieses Messer in die Öffentlichkeit darf oder nicht. Mathias Ernst "fordert eine einfache und nachvollziehbare Lösung“, die für die Polizei auch anwendbar sei.
Messerverbot nicht in Sicht
Die Lösung könnte ein weitgehendes Messerverbot in der Öffentlichkeit sein. Doch das ist nicht in Sicht. Bereits 2008 hat Berlin solch ein Verbot gefordert und konnte sich damit nicht durchsetzen. Das Bundesinnenministerium teilt uns mit: Die waffenrechtlichen Regelungen seien "hinreichend streng": Man prüfe aber "gesetzliche Klarstellungen". Was das genau bedeutet erklärt das Ministerium nicht.
So werden Polizeibeamte weiterhin Messer sicherstellen. Und das Waffenrecht wird dafür sorgen, dass die Besitzer schon kurze Zeit später wieder damit unterwegs sind.