Lokaljournalismus unter Druck, aber wichtig für die Demokratie
Lokale Medien - besonders Lokalzeitungen - sind in den letzten Jahrzehnten zunehmend wirtschaftlich unter Druck geraten. Dabei sind sich Medienexperten einig, dass Lokaljournalismus für den Erhalt der Demokratie wichtig ist. Kooperationen könnten helfen.
Auf dem Frühstückstisch liegt neben Kaffeetasse und Müslischale die Lokalzeitung, in der eine Leserin oder ein Leser blättert - eine Szene, wie sie heutzutage kaum noch zu finden sein dürfte. Der Bedeutungsverlust von Print hat sich zuletzt stark beschleunigt und er zeigt sich überall: in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Am stärksten betroffen im Norden ist Mecklenburg-Vorpommern. Dort sank die Auflage zuletzt um mehr als zehn Prozent innerhalb eines Jahres. Gleichzeitig sind die Vertriebskosten gestiegen, etwa für den Druck und das Austragen der Zeitungen am Morgen.
Printauflagen, Anzeigen und Erlöse gehen zurück
"Der Lokaljournalismus ist in den letzten Jahrzehnten zumindest wirtschaftlich deutlich stärker unter Druck geraten", sagte auch Christian-Mathias Wellbrock im Interview bei NDR Info. Der Leiter Innovation und Studium an der Hamburg Media School nennt als Gründe äußere Bedingungen wie sinkende Printauflagen, Anzeigen und Erlöse - vor allen Dingen, was die Rubriken-Anzeigen betrifft: "Wenn ich einen Job oder eine Wohnung suche, dann kaufe ich mir keine Zeitung mehr, sondern gehe auf die entsprechenden Internetportale."
Daneben werde die Arbeit vor Ort schwieriger und gefährlicher. Das würde an der allgemeinen Polarisierung in zumindest Teilen der Gesellschaft liegen.
Digitale Transformation verschlafen
Aber auch die Branche selber trage einen Eigenanteil an der Entwicklung, meint Wellbrock: "Man hat sicherlich jahrelang ein bisschen verschlafen, die digitale Transformation anzuschieben." In den letzten Jahren sei aber auch einiges passiert: Die Medienunternehmen oder die Verlagshäuser würden zunehmend kooperieren und "müssen nicht jeder alles selber noch mal neu erfinden". Kooperationen könnten helfen, die Kosten zu senken. Große Teile der Kosten im Digitalen seien Fixkosten, die viel mit der Infrastruktur zu tun hätten.
"Lüneburger Zeitung" verfolgt Expansionsstrategie
Mit Themen wie Straßensperrungen, Problemen mit der Taubenpopulation oder der offenen Trinkerszene, die Passanten verschreckt, ist die "Lüneburger Landeszeitung" noch immer der Platzhirsch in der Region Nordostniedersachsen, wenn es um Lokalzeitungen geht. Gemeinsam mit dem "Winsener Anzeiger" aus dem Landkreis Harburg erreicht das Blatt rund 30.000 Leser. Dazu kommt das Gratisanzeigen Blatt "Lünepost" mit einer Auflage von rund 80.000.
Doch auch hier kämpft man mit den gleichen Herausforderungen wie viele andere Print-Zeitungen: eine älter werdende Leserschaft, eine schwindende Auflage, ein Anzeigenrückgang, dazu gestiegene Produktions- und Vertriebskosten. Neuer Chefredakteur der Landeszeitung ist Werner Kolbe. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet er als Lokaljournalist in Lüneburg. Doch so herausfordernd wie derzeit sei die Lage noch nie gewesen, sagte er: "Wir haben uns entschieden, auf Expansion zu setzen. Ein Teil der Expansion ist die Übernahme des "Winsener Anzeigers" und jetzt die Zusammenlegung von den drei Redaktionen Landeszeitung, 'Winsener Anzeiger' plus 'Lünepost'."
Lokalzeitungen: Weniger als 20 Prozent der Umsätze im Netz
Andere lokale Zeitungen setzen stärker auf E-Paper und Bezahlschranken auf ihren Online-Seiten. Auf den ersten Blick sind sie damit sogar ziemlich erfolgreich. "Die digitale Reichweite ist auch bei lokalen und regionalen Zeitungen höher als die Printreichweite", sagte Klaus Meier, Journalismus-Professor an der Katholischen Universität Eichstätt, auf NDR Info. Das Problem: Genug Geld nehmen sie damit im Moment noch nicht ein. Im Vergleich zu überregionalen Medien ist die Zahlungsbereitschaft für Lokaljournalismus im Internet eher gering. Nach wie vor erwirtschaften Lokalzeitungen weniger als 20 Prozent ihrer Umsätze im Netz.
Lokalberichterstattung wichtig für Demokratie und Wirtschaft
"Ich mache mir wirklich Sorgen um den Lokaljournalismus. Die Frage ist, ob Journalistinnen und Journalisten da sind, die auch den kritischen Blick haben nicht nur auf die Lokalpolitik, sondern auch auf lokale Wirtschaftsunternehmen", sagte Meier. Wo Lokalredaktionen fehlen, scheine die Demokratie stärker gefährdet. Wissenschaftlich ist das nicht leicht zu erheben. Doch inzwischen liefern mehrere Studien darauf deutliche Hinweise. In den USA haben Gemeinden ohne Lokalausgabe demnach zum Beispiel mehr Wirtschaftskriminalität. Andere Studien legen nahe, dass Menschen in solchen Gegenden auch seltener zur Wahl gehen oder extremer wählen.
Journalismus gesamtgesellschaftlich unterstützen
Auch für den Medienexperten Wellbrock ist Lokaljournalismus elementar wichtig: "Das interessiert die Leute immer noch und es ist für die Funktionsfähigkeit der Demokratie total wichtig, dass man weiß, was im eigenen Umfeld passiert." Neben notwendigen Kooperationen von Verlagshäusern hält er deshalb auch eine Art Subvention für erforderlich: "Man kommt nicht umhin, den Journalismus gesamtgesellschaftlich zu unterstützen. Dabei geht es nicht primär um die Rettung der Verlage, sondern es geht um die Unterstützung des Journalismus als Institution. Das kann natürlich die Verlagshäuser beinhalten, aber auch kleinere Organisationseinheiten, die aus dem Digitalen kommen."