Eine Ärztin und ein Richter suchen ihren Platz in Deutschland
Durch ein geändertes Einwanderungsgesetz will die Bundesregierung in Zukunft viele Fachkräfte nach Deutschland holen. Aber was ist eigentlich mit den Menschen, die schon hier sind? Geflüchtete aus Kriegsgebieten oder politisch Verfolgte zum Beispiel. Viele von ihnen wollen arbeiten, müssen dafür aber viele Hürden nehmen.
Das normale Leben von Engin und Ayse in der Türkei endet mit dem 15. Juli 2016. Teile des türkischen Militärs greifen Ankara und Istanbul an, versuchen den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan zu stürzen. Der Putsch scheitert. In den folgenden Tagen und Wochen gibt es immer wieder Massenverhaftungen - auch innerhalb der Justiz. Mehrere Tausend Richter und Staatsanwälte werden festgenommen. Engin ist einer von ihnen. 18 Monate sitzt er im Gefängnis, ohne zu wissen, was die türkische Justiz ihm eigentlich vorwirft. Als er wieder freigelassen wird, entscheidet er mit seiner Frau Ayse, nach Deutschland zu fliehen.
Sprachkurs erst nach einem Jahr
Beide heißen eigentlich anders, möchten aber aus Sorge um ihre Sicherheit und die ihrer beiden Kinder ihre wirklichen Namen nicht nennen. Ayse ist Ärztin. Mit den Kindern reist sie schon Anfang 2019 nach Deutschland ein, ihr Mann folgt ein paar Monate später. Erst ein Jahr nach dem sie in Deutschland angekommen sind, kommt Ayse in einem Sprachkurs unter: "Ich konnte erst 2020 mit einem Deutschkurs anfangen. Dann kam leider die Pandemie und ich konnte den Kurs nicht beenden. Aber ich habe einige Deutsche kennengelernt, die mir geholfen haben."
Deutsche Rentner üben mit den beiden, führen Alltagsgespräche. Reden über Politik und Gesellschaft mit ihnen. Nach einiger Zeit gehen aber auch zu Ayses Freude die regulären Sprachkurse weiter: "Die Kurse waren für uns wie Arbeit. Wir haben auch zu Hause gelernt und gearbeitet, damit wir schnell in unseren Berufen arbeiten können."
Lungenfachärztin durfte trotz Pandemie nicht arbeiten
Besonders für Ayse drängt die Zeit. Sie hat in der Türkei als Lungenfachärztin gearbeitet. Während in den deutschen Krankenhäusern Ausnahmezustand herrscht, darf sie nur zusehen, erzählt ihr Mann: "In der Corona-Pandemie brauchte man Lungenärzte, trotzdem musste sie zu Hause bleiben, weil ihr die Anerkennung in Deutschland fehlte."
Ayses erster Job ist dann immerhin auf einer Corona-Station in einem Krankenhaus. Bis dahin war es aber ein langer Weg. Neben den Sprachkenntnissen fehlte Ayse auch die Anerkennung ihres türkischen Studienabschlusses.
Job-Anerkennung - ein zäher und teurer Prozess
Ein halbes Jahr vergeht, bis ihre Approbation auch in Deutschland gilt. Ein zäher und auch teurer Prozess. 5.000 Euro allein kostet es zum Beispiel das Curriculum - ein 200 Seiten starkes Dokument, das die Lehrinhalte ihrer Ausbildung dezidiert beschreibt - übersetzen zu lassen. Seit einem guten Jahr ist Ayse nun in einem Krankenhaus angestellt, erst einmal als Assistenzärztin. Ihre Facharztausbildung muss sie hier noch einmal machen: "Das finde ich nicht so schlimm. Ich habe immer noch Sprachbarrieren und kann noch nicht als Fachärztin arbeiten, ich brauche noch Zeit."
Engin muss Jurastudium noch einmal machen
Ihr Mann braucht noch einen deutlich längeren Atem. Er will auch in Deutschland als Richter arbeiten und muss noch einmal ganz von vorne anfangen und studieren. Bei einem Fachgebiet wie Jura, bei dem sprachliche Feinheiten von höchster Bedeutung sind, ist das besonders herausfordernd: "Ich bin ein Kämpfer und habe mir drei Semester gegeben. Bis drei Semester muss ich diese Sprache, diese juristische Sprache lernen, danach wird es mir einfacher fallen, ich weiß es", sagt Engin.
Im Unterschied zu seiner Frau hat er also noch kein eigenes Einkommen. Ein Stipendium seiner Universität hilft und natürlich das Geld seiner Frau: "Meine Frau unterstützt mich. Sie hat mit ihrem Beruf Glück gehabt und ich habe Glück mit meiner Frau."
Ob die beiden langfristig in Deutschland bleiben können, ist aber noch ungewiss. Gerade erst wurde ihr Antrag auf eine Niederlassungserlaubnis abgelehnt, weil Engin keinen türkischen Pass vorlegen kann, denn der ist in der Türkei geblieben.