Was tun gegen rechte Parolen und Hetze?
"Das wird man ja wohl noch sagen dürfen." - Dieser Satz begleitet häufig Aussagen, die andere Menschen, meist Minderheiten, herabsetzen. Immer mehr Menschen sehen sich in ihrem Alltag, auch im Privatleben, mit manchmal nebenbei gesagten Dingen konfrontiert, die sie sprachlos machen. Was macht man gegen diese Sprachlosigkeit? Wann bezieht man Stellung und wie? Der Verein "Gegen Vergessen - für Demokratie" bietet Seminare an, in denen man das lernen kann: ein "Argumentationstraining gegen rechte Parolen".
Ein Rollenspiel. 15 Studentinnen und Studenten eines Seminars "Argumentationstraining gegen rechte Parolen" sitzen im Stuhlkreis, in der Mitte stellen fünf andere eine typische Familiensituation nach - Omas 80. Geburtstag. Es soll harmonisch bleiben, aber Onkel und Cousine stänkern gegen Flüchtlinge: "Ich gehe da normal und Vollzeit arbeiten, und die kriegen alles in den Arsch geschoben. Die können gerne wieder zurück übers Meer rudern!" Die Studentin, die die Cousine spielt, pflichtet ihm bei: "Und die sagen noch nicht mal Danke für alles was sie hier bekommen!"
"Da, wo die herkommen, gibt es keinen Anstand!"
Schnell gibt ein Wort das andere, die Diskussion schaukelt sich hoch: "Und dazu kommt ja noch die sexuelle Belästigung. Wir haben ja Anstand gelernt, aber da, wo die herkommen, da gibt es das nicht." Student Sebastian hat die Rolle, einzuschreiten. Er wirkt zuerst etwas unsicher, als er sagt: "Stopp, halt. Darf ich da mal dazwischengehen?", und sagt dann, mit festerer Stimme: "Ich stimme euch da nicht zu."
Was tun mit den eigenen Emotionen?
In der Nachbesprechung sind sich die anderen Teilnehmer einig: Das war schon mal gut. Allerdings finden einige, er hätte außerdem auch sagen können, dass ihn die pauschalen Aussagen persönlich ärgern. Aber das sei, wie im realen Leben auch, schwierig gewesen, sagt Sebastian. "Ich war einfach selber so angefasst, dass ich da nicht die Argumente parat hatte." Auch wenn es nur ein Rollenspiel ist, es wird deutlich, dass die Teilnehmer viele eigene Erfahrungen aus ihrem Alltag mitbringen. In den Übungen geht es viel darum, die eigenen Reaktionen und Emotionen in den Griff zu bekommen.
Wer verfestigte Vorurteile hat, hört nicht auf Fakten
Was man allerdings nicht lernt, ist, Neonazis vom Gegenteil ihrer Thesen zu überzeugen. Ohnehin ließen sich Menschen mit verfestigten diskriminierenden Vorurteilen meist nicht von Fakten beeindrucken, erklärt Trainer Martin Ziegenhagen. "Außerdem ist man gar nicht verpflichtet, den anderen inhaltlich zu überzeugen. Sondern es geht im ersten Schritt erst mal darum, zu erkennen, wo die eigene rote Linie überschritten ist. Und dann kann man sich überlegen, wie man darauf reagiert."
Zivilcourage zeigen: "Ich stimme nicht zu!"
Im Seminar geht es nicht nur um rechte Parolen, sondern um menschenfeindliche Äußerungen jeder Art. Für den einen sind das pauschalisierende Äußerungen über Flüchtlinge, für andere abwertende Sprüche über Homosexuelle oder Frauen. Die meisten kennen ihre rote Linie instinktiv, schweigen aber trotzdem: Oft, weil sie meinen, sie könnten alleine nichts ausrichten. Dabei geht das sehr wohl, erfordert aber Zivilcourage und etwas Übung. "Nämlich, indem man sagt: Ich stimme nicht zu!" Das alleine sei schon ein wichtiges Signal ans Gegenüber und auch an die Umstehenden, die bislang passiv zugesehen haben, sagt Ziegenhagen. "Es geht darum, den Krakeelern nicht das Gefühl zu geben, dass das funktioniert, was sie da machen."
Woher kommen die menschenfeindlichen Äußerungen?
Familien-Situationen seien dabei besonders heikel und besonders häufig, das schildern die Seminarteilnehmer immer wieder. Man will die Feier nicht stören, man will die Beziehung nicht dauerhaft belasten, aber gleichzeitig kochen die Emotionen sofort viel höher, sagt auch Trainer Ziegenhagen. Wichtig sei es dann, im Gegenüber nicht nur den Feind zu sehen. "Die Menschen haben immer Gründe für ihre Einstellungen." Das werde sehr oft auch deutlich in den Äußerungen. "Da ist viel Wut, da ist Ärger, da ist Neid. Wenn ich in der Lage bin, das zu erkennen und anzusprechen, vielleicht Verständnis zu zeigen, kann ich vielleicht erreichen, dass mein Gegenüber sich in irgendeiner Weise anerkannt fühlt - und sein Gesprächsverhalten im Idealfall ändert." Auf der einen Seite gehe es also darum, sich abzugrenzen. Auf der anderen Seite kann - wenn die Beziehung es zulässt - der Versuch unternommen werden, eine Brücke zu bauen.
Nicht mehr denken müssen: "Hätte ich doch was gesagt"
Die Teilnehmer des Seminars haben gelernt, dass es manchmal Überwindung kosten wird, den Mund aufzumachen - aber auch viel bringt, nicht zuletzt für die eigene Psychohygiene. So sehen es zum Beispiel Ricarda und Hanna. "In meinem Kopf war immer so der Gedanke, mir fehlen die Argumente, ich habe jetzt nicht alle aktuellen Statistiken parat, kann dann nicht diskutieren - also sage ich besser gar nichts." Jetzt nach dem Seminar weiß sie: Es geht nicht nur um Inhaltliches. Sie kann einfach das persönliche Empfinden benennen, dass eine Äußerung zu pauschal ist oder sogar menschenfeindlich. Auch Hanna stimmt zu, dass es für sie jetzt einfacher ist, schnell zu reagieren. "Es geht auch einfach um ein gutes Gefühl, dass ich künftig abends beruhigt auf der Couch sitzen kann und nicht denke, hätte ich mal was gemacht. Sondern ich habe klar meine Position bezogen und kann damit beruhigt schlafen."
Argumentationstraining gegen rechte Parolen - das Wichtigste in Kürze
Vermeintlich flotte Sprüche über Flüchtlinge, Homosexuelle, Frauen scheinen wieder salonfähig zu sein. Was kann man selbst dagegen machen? Das Argumentationstraining für Zivilcourage im Schnelldurchlauf: