Klägliches Spiel mit der Terrorangst
Die Terroranschläge von Paris bewegen auch die Menschen in Norddeutschland. Zehntausende demonstrierten zu Wochenbeginn gegen den islamistischen Terror, für Toleranz und für die Pressefreiheit.
Doch Islamhasser versuchen die Anschläge für ihre Zwecke zu nutzen. In Hannover versammeln sich etwa 200 Anhänger bei "Hagida" - "Hannoveraner gegen die Islamisierung des Abendlandes“ - ein regionaler Ableger der Pegida-Bewegung. "Niedersachsen erdverwachsen, ohne Scharia", hat ein Demonstrant auf sein Schild gemalt. "Wollen Sie, dass die hier die Macht übernehmen?", fragt ein anderer.
Hannover: 17.000 Gegendemonstranten
Die Polizei ist mit einem Großaufgebot vor Ort, über tausend Gegendemonstranten stellen sich den Islamkritikern in den Weg. Insgesamt sind es 17.000 die allein in Hannover gegen Islamhass und Intoleranz auf die Straße gehen.
Unter den "Hagida"-Demonstranten finden sich bekannte Rechtsextremisten und Anhänger der islamfeindlichen "Identitären Bewegung". Der als Redner angekündigte Friedemann Grabs ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der rechtspopulistischen Gruppierung "Die Hannoveraner" in der Regionsversammlung.
Naziaufmarsch in Schwerin
Auch in Schwerin treffen sich am Montagabend etwa 350 Menschen zu einer Demonstration unter dem Namen "MVgida". Nur wenige sind bereit mit der Presse zu reden. Diejenigen, die es tun, haben nach eigenen Worten Angst vor einer Islamisierung Deutschlands und fühlen sich damit von der Politik nicht ernst genommen.
Ein Großteil der Demonstranten gehört offensichtlich zur rechtsextremen Szene: Neben Mitgliedern rechter Kameradschaften marschiert die NPD-Landtagsfraktion um ihren Vorsitzenden Udo Pastörs "gegen religiösen Fanatismus". Auch der ehemalige Hamburger NPD-Landesvorsitzende Thomas Wulff ist angereist, skandiert abwechselnd "Wir sind das Volk" und "Lügenpresse". Unverhohlen wird auf Transparenten gegen Asylbewerber und Flüchtlinge gehetzt.
Zahlenmäßig sind die Gegendemonstranten auch hier den Pegida-Anhängern überlegen. Rund 1.000 Menschen demonstrieren für ein weltoffenes Mecklenburg-Vorpommern und ein friedliches Zusammenleben.
Hamburg: AfD auf Anti-Islam-Welle
In Hamburg wirbt die AfD zurzeit um Stimmen für die Bürgerschaftswahl am 15. Februar. Spitzenkandidat Jörn Kruse nutzt die Terroranschläge von Paris, um die diffuse Angst vieler Leute vor dem Islam weiter anzuheizen. In einer Rede auf einer Wahlkampfveranstaltung am vergangenen Samstag unterläuft ihm ein Versprecher, der in den folgenden Tagen hohe Wellen schlägt: "Ich habe die große Befürchtung immer gehabt, dass etwas Furchtbares irgendwo bei uns hier, und Paris ist für mich, gehört zur gleichen Wertegemeinschaft wie Hamburg, passieren würde. Und leider ist es viel früher passiert als ich gehofft habe." Nach kurzem Zögern korrigiert sich Kruse und sagt "erwartet habe."
"Männlich, Migrant, Muslim, Misserfolg"
So stellt er es auch später noch einmal öffentlich dar. Doch gerade bei Kritikern der AfD bleibt der fade Beigeschmack, dass es Kruse und seiner Partei gerade in Wahlkampfzeiten gelegen kommt, mit der Terrorangst der Deutschen auf Stimmenfang zu gehen.
Bei seinem Wahlkampfauftritt in Hamburg jedenfalls schürt Kruse Vorurteile gegen Muslime und verkündet: "Das Attentat von Paris ist leider ein fatales Beispiel für die vier M.: Erstens männlich, zweitens Migrant, drittens Muslim und viertens Misserfolg. Studien zeigen uns, dass diese Leute häufig zu den Losern der Gesellschaft gehören." Kruse bekommt für solche Äußerungen viel Beifall, am rechten Rand kommen scharfe Worte gegen den Islam offenbar gut an.
Kein Erfolg für Pegida-Ableger
Auf der Straße sind die Pegida-Anhänger in Norddeutschland zumindest in dieser Woche nicht erfolgreich. Die Versammlungen sind schlecht besucht, zehntausende Gegendemonstranten setzen ein deutliches Zeichen gegen Islamhass und Intoleranz. So wie in Hannover, wo Gegendemonstranten den "Abendspaziergang" der Hagida-Anhänger durch die Stadt verhindern. Nach nicht einmal einer Stunde löst sich die Veranstaltung vorzeitig auf.