Stand: 07.09.2020 16:04 Uhr

Weniger Plastikmüll dank essbarer Eis-Löffel

von Lena Petersen
Essbarer Eislöffel aus Kakaofasern © NDR Foto: Lena Petersen
Die essbaren Eislöffel wurden 2019 beim Hamburger Food Innovation Camp ausgezeichnet.

Sonnenschein und Eiscreme - das passt. Statt Kugeln in der Waffel bevorzugen viele allerdings ein Eis im Becher - und kaufen den Plastiklöffel damit gleich mit. Das sorgt für vermeidbaren Müll. Das hat auch die EU erkannt und für eine neue Richtlinie gesorgt. Ab dem kommenden Sommer sollen diverse Einwegplastik-Produkte verboten werden. Zwei junge Gründerinnen haben daher einen essbaren Löffel entwickelt. Die NDR Info Perspektiven haben sich das neue Produkt und andere Lösungen angeschaut.

To-go-Plastikbecher, Kunststoff-Teller oder -Besteck, Plastik-Strohhalme oder Plastik-Wattestäbchen - das sind einige der Einwegplastik-Produkte, die ab dem 3. Juli des kommenden Jahres in der EU verboten sein werden. Nach Angaben der Bundesregierung soll verhindert werden, dass der Müll als Mikroplastik in den Meeren und Fischmägen und letztlich wieder auf unseren Tellern landet. Allein in Deutschland sind durch Einweg-Geschirr und To-go-Verpackungen 2017 mehr als 346.000 Tonnen Müll entstanden. Das hat die Gesellschaft für Verpackungsforschung festgestellt.

Gesetz lässt Schlupflöcher

Ein Eislöffel aus Plastik liegt auf der Erde. © NDR Foto: Lena Petersen
Viele Plastik-Löffel werden einfach achtlos weggeworfen und stellen so ein zusätzliches Problem dar.

Umweltschützer haben aber die Sorge, dass die bald verbotenen Plastik-Produkte durch andere umweltschädliche Einweg-Produkte ersetzt werden, wie zum Beispiel aus Papier oder Aluminium. Außerdem fürchten sie mögliche Schlupflöcher: Aus einem Plastik-Teller könnte durch einen Deckel vielleicht eine Plastik-Box werden. Solche Verpackungen werden nämlich nicht grundsätzlich verboten. Das Regelwerk, das hinter dem Einwegplastik-Verbot steckt ist also noch nicht die alleinige Lösung.

Essbarer Löffel schon im Einsatz

Essbarer Eislöffel aus Kakaofasern © NDR Foto: Lena Petersen
Die essbaren Eis-Löffel bestehen aus verschiedenen Mehlsorten, natürlichen Nahrungsfasern und enthalten keinen Zucker.

Die Gastronomie-Branche ist also auf der Suche nach Alternativen. Das hat unter anderem das Start-Up Spoontainable erkannt. Das Kofferwort kombiniert die englischen Begriffe "spoon" und "sustainable" - ein nachhaltiger Löffel also, der in diesem Fall sogar essbar ist. In einem Eiscafé in Hamburg-Ottensen ist er schon im Einsatz. Einigen Kunden ist er noch zu ungewöhnlich, viele probieren ihn aber schon: "Der Löffel ist sehr lecker und das ist das Problem. Man will ihn aufessen, bevor man das Eis aufgegessen hat." Nicht allen Eis-Fans schmeckt er so gut: "Ich fand ihn nicht so lecker, weil er so nach Kaffee geschmeckt hat." In dem Eiscafé sind schon einige Tausend essbare Löffel über den Tresen gewandert. Inhaberin Katrin Kerkhoff möchte das Umweltbewusstsein der Kunden schärfen. "Für mein Business ist dieses Produkt eine Super-Sache. Ich werde sehr dafür sorgen, dass sich das weiter durchsetzt."

Fasern aus Kakaobohne und Hafer

Gründerinnen Amelie Vermeer und Julia Piechotta vn Spoontainable © NDR Foto: Lena Petersen
Die Gründerinnen Vermeer und Piechotta beliefern neben Kunden in Hamburg auch Eiscafés in Hildesheim, Hannover und Leer.

Hinter dem Produkt stehen die jungen Unternehmerinnen Amelie Vermeer und Julia Piechotta. Vor zwei Jahren haben sie das Start-Up Spoontainable gegründet. Inzwischen verkaufen sie ihre Produkte von Heidelberg aus in ganz Deutschland und auch im europäischen Ausland. Für die essbaren Löffel, erklärt Gründerin Piechotta, nutzen sie Rohstoffe, die in der Lebensmittelindustrie übrig bleiben - unter anderem Kakobohnen-Schalen: "Die Schalen werden für die Schokoladen-Verarbeitung nicht weiter genutzt und wir lassen daraus nochmal Fasern herstellen. Die sind sehr ballaststoffreich und haben den natürlichen Kakao-Geschmack. Als zweite Alternative nutzen wir auch noch die Hafer-Schalen." Die verleihen einen neutraleren Geschmack. Laut Piechotta ist der essbare Eis-Löffel sogar nachhaltig, wenn er nicht aufgegessen wird: "Wir gleichen alle CO2-Emissionen aus, die wir bei der Herstellung bis zum Vertrieb verursachen. Das heißt, selbst wenn man den Löffel wegwirft, ist er nachhaltiger als ein Plastik-Löffel, weil er sich auch selbst in der Umwelt auflösen würde."

Noch besser: Mehrweg-Lösungen

Auch die Konkurrenz, etwa das Göttinger Unternehmen Kulero, profitiert von dem nahenden Einwegplastik-Verbot. Wie nachhaltig dessen essbares Besteck ist, kann Katharina Istel nicht abschließend beurteilen. Die Referentin für nachhaltigen Konsum beim Naturschutzbund kritisiert aber andere Alternativen aus nachwachsenden Rohstoffen - zum Beispiel aus Holz, Papier oder Laub. "Es bleibt Einweg und es wird sofort zu Müll. Da stecken viele Ressourcen drin und die werden quasi für eine kurze Lebensdauer verschwendet. Aus den Rohstoffen könnte man schließlich auch langlebige Produkte machen." Aus Istels Sicht ist der ideale Weg eine Mehrweg-Nutzung - ein Pfandsystem also. Das sollte am besten nicht nur bundesweit, sondern EU-weit einheitlich sein.

Verschiedene Pfand-Systeme bereits etabliert

Die Expertin hofft darauf, dass regional einheitliche Pfand-Systeme etabliert werden. Die Menschen müssten mehr daran gewöhnt werden, überhaupt solche Systeme zu benutzen, sagt sie. Für die To-go-Kaffeebecher gebe es schließlich seit einiger Zeit auch Systeme, die sich sogar überregional etabliert haben, wie etwa Re-Cup. Ebenfalls bereits in ganz Deutschland verbreitet - unter anderem in Greifswald, Husum und Lüneburg - ist das Pfandsystem Rebowl. Gastronomie-Betriebe können die Mehrweg-Take-away-Schalen der Kundschaft für einige Euro Pfand mitgeben und nehmen sie dann nach Gebrauch wieder entgegen. Ähnlich funktioniert das System ReCircle. Dessen Mehrweg-Produkte sind zum Beispiel schon in Hamburg und Hannover im Umlauf.

Müllsack gefüllt mit Einwegplastikverpackungen. © imago/Jochen Tack Foto: Jochen Tack
AUDIO: Einwegplastikverbot: Essbare Löffel gegen die Müll-Flut (5 Min)

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Perspektiven - auf der Suche nach Lösungen | 08.09.2020 | 07:40 Uhr

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