Streit zwischen Mitgliedern der SPD Harburg eskaliert
In Harburgs SPD gibt es schweren Streit zwischen deutsch- und türkischstämmigen Genossen und Genosssinnen. Das hat NDR 90,3 exklusiv erfahren. Wegen der Beschädigung einiger Wahlplakate gab es sogar sechs Hausdurchsuchungen.
Es war am 31. Mai 2024, neun Tage vor der Bezirkswahl im Juni: Da bezichtigte ein deutsch-stämmiger Sozialdemokrat türkisch-stämmige Sozialdemokraten, acht Wahlplakate einer deutschen Genossin beschädigt zu haben. Klare Beweise gab es nicht, der Schaden war minimal, doch das Amtsgericht Hamburg ordnete Razzien bei gleich sechs türkisch-stämmigen Genossen an, zwei davon 17 Jahre alt. Damit sollten Beweise, wie zum Beispiel Handys, gesichert werden.
Durchsuchungen bei türkisch-stämmigen SPD-Vorstandsmitgliedern
Rechtsanwalt eines Beschuldigten ist Mathias Frommann, früher SPD-Bezirksamtsleiter in Nord. Er sagte zu NDR 90,3: "Bei dem einen Jungen hat sich das so abgespielt, dass mehr als ein halbes Dutzend Polizisten zur frühen Morgenstunde in die Wohnung der Eltern des Jugendlichen eingedrungen sind und ihn dazu aufgefordert haben, die Hände im Bett zu heben." Wegen der acht Wahlplakate gab es sogar Durchsuchungen bei zwei türkisch-stämmigen Vorstandsmitgliedern der SPD Harburg.
Anwalt sieht Zusammenhang mit Kandidatenaufstellung
Unfassbar, meint Anwalt Frommann: "Hier möchte offenbar jemand verhindern, dass türkischstämmige erfolgversprechende Mitglieder der SPD Harburg auf gute Listenplätze kommen." Die SPD stellt zurzeit die Kandidatinnen und Kandidaten für die Bürgerschaftswahl auf. Die Bewerberinnen und Bewerber mit türkischem Hintergrund fühlen sich diskriminiert. Anwalt Frommann hat Beschwerde gegen die Hausdurchsuchungen eingelegt.
Laut der Hamburger Staatsanwaltschaft waren die Durchsuchungen gerechtfertigt. Es gehe um gemeinschaftliche Sachbeschädigung und das Amtsgericht habe dabei die Gesamtumstände beachtet.
Hamburger SPD weist Diskriminierungsvorwürfe zurück
Hamburgs SPD-Spitze weiß von den Querelen, hat sich aber bislang herausgehalten. Seit dem Bericht von NDR 90,3 herrscht hektische Betriebsamkeit in Hamburgs SPD-Landesorganisation. So wurden türkischstämmige Abgeordnete angerufen und gefragt, ob sie sich etwa diskriminiert fühlten. Auf detaillierte Fragen zu den Harburger Vorwürfen weist ein Parteisprecher Diskriminierungsvorwürfe allgemein zurück: "In der SPD Hamburg wie in all ihren Gliederungen wurde und wird niemand aufgrund des Alters, Migrationshintergrunds oder aus anderen Gründen diskriminiert." Die Aufstellungsverfahren für Listenplätze würden gemäß den SPD-Statuten "offen, transparent und fair" erfolgen.
Allerdings gibt es ein Bündel an Parteiordnungsverfahren in Harburg. Anwalt Frommann sagte dazu: "Es werden Parteiordnungsverfahren gern gegen türkischstämmige Mitglieder mit haltlosen Vorwürfen eingeleitet." Gerade sei eines von der Kreisschiedskommission zurückgewiesen worden.
Streit gibt es, seit die Deutsch-Türkin Oksan Karakus überraschend zu Harburgs SPD-Chefin gewählt wurde. Sie hatte eine Kampfkandidatur angestrengt.