Schifffahrtsbilanz 2022: Schwierige Zeiten für Reedereien
Nach den Lieferengpässen in den vergangenen Monaten nehmen im weltweiten Container-Frachtverkehr die Überkapazitäten wieder zu. Das führt zu sinkenden Preisen beim Waren-Transport. Während Industrie und Handel aufatmen können, müssen sich die Reedereien auf schwierigere Zeiten einstellen.
Große Reedereien wie Hapag-Lloyd blicken insgesamt auf ein sehr gutes Jahr 2022 zurück. Globale Transport-Engpässe führten zu hohen Erträgen und einer gestiegenen Nachfrage nach Containerfracht. Doch jetzt sinken die Frachtraten deutlich, vor allem in Richtung Fernost. "Das heißt Fernost nach Europa, aber auch Transpazifik nach USA aus Fernost sind relativ stark betroffen, so dass wir dort Raten sehen, die wir ungefähr kurz vor Covid gesehen haben", sagt Nils Haupt, Pressesprecher von Hapag-Lloyd.
Hapag-Lloyd: 2023 weniger Transporte
Bei Hapag-Lloyd stiegen die Frachtraten - also die Preise pro transportiertem Container - in den vergangenen zwei Jahren sprunghaft an. Gründe dafür waren einerseits die Transport-Engpässe sowie eine hohe Nachfrage. Seit November jedoch sinken die Frachtraten deutlich. "Die Lieferketten funktionieren wieder in einem hohen Maße. Andererseits hohe Inflationsraten, eine drohende Rezession, hohe Verbraucher-Zurückhaltung - all das führt dazu, dass wir jetzt im vierten Quartal und wahrscheinlich auch ausblickend auf 2023 weniger transportieren", so Haupt.
"Ever Given" zeigt, wie empfindlich Lieferketten sind
Dass die globalen Lieferketten empfindlich sind, zeigte die Havarie der "Ever Given" im Suez-Kanal im März vergangenen Jahres: Das riesige Container-Schiff blockierte den Kanal Tage lang, Hunderte Schiffe stauten sich, der weltweite Handel wurde erheblich gestört. Die Auswirkungen spürt Hapag-Lloyd bis heute. Am Beispiel des Hafens in Los Angeles zeige sich, dass hier immer noch Schiffe warteten. Immerhin hätten sie sich in den vergangenen vier bis sechs Wochen verringert. "Wir sind von mehreren Monaten oder Wochen Wartezeit auf jetzt ein bis zwei Wochen Wartezeit heruntergegangen", sagte Leif Kabelström vom Network Operations Hapag-Lloyd. Er ist für eine optimale Durchführung des Schiffsverkehrs in die USA verantwortlich.
Weltweite Wirtschaft auf dem Weg in die Rezession
Einerseits ist die Produktivität in den Häfen während der Feiertage eingeschränkt. "Andererseits sehen wir natürlich, dass die Winter-Saison in vollem Gange ist. Wir haben Wetterbedingungen, wie Wind und Wellen, die die Umschlags-Kapazitäten speziell an den Häfen, die an der Küste liegen, beeinflussen", sagt Henri Scheer, Kapitän bei Hapag Lloyd. "Das heißt also, Hamburg ist dementsprechend relativ gut aufgestellt, weil wir relativ weit im Inland sind."
Mit den aktuellen Folgewirkungen des Russland-Ukraine-Kriegs auf die globalen Lieferketten beschäftigt sich Professor Vöpe vom Centrum für Europäische Politik. Er sieht die weltweite Wirtschaft auf dem Weg in die Rezession. "Wir leben in der Zeitenwende. Der Russland-Handel fällt im Grund ganz aus, der China-Handel steht vor großen Veränderungen, auch der Handel mit den USA. Also die großen Linien, auch des Welthandels, die werden sich verschieben - und das bleibt natürlich nicht ohne Auswirkungen auch auf die Reedereien und auf die entsprechenden Routen und entsprechend ist Hamburg von solchen großen Verschiebungen betroffen."
Hamburger Hafen verliert Marktanteile
Hier ist nun die Politik gefordert, so der Wirtschaftswissenschaftler. Hamburg verliert gegenüber den Konkurrenz-Häfen Rotterdam und Antwerpen weiter an Marktanteilen. Auch die Elbvertiefung bleibt ein Thema. "Man müsste jetzt gucken, den Hafen wettbewerbsfähiger zu machen, also wirklich die Kosten zu reduzieren, die Zuverlässigkeit zu erhöhen", so Völpel. Das seien Dinge, die man im Hafen selbst machen könne, die auch die Politik treiben müsse. "Und darüber hinausgehend natürlich die Frage mit dem Hafen-Entwicklungsplan: Was ist eigentlich die große Idee für den Hafen in den nächsten 20 bis 30 Jahren?"
Für die Reedereien stehen schwerere Zeiten an. Gestiegene Treibstoff-Kosten und die Fertigstellung neuer Riesen-Container-Schiffe dürften in den kommenden Monaten dafür sorgen, dass die Frachtraten weiter sinken.