Kommentar: Rücktritt nach Amoklauf in Hamburg könnte nötig werden
Im Fall des Amoklaufes von Hamburg-Alsterdorf gibt es neue Erkenntnisse - und die haben es in sich: Die Generalstaatsanwaltschaft und das Dezernat Interne Ermittlungen ermitteln gegen einen Mitarbeiter der Waffenbehörde wegen fahrlässiger Tötung. Und: Es zeichnet sich ab, dass der Amoklauf wirklich hätte verhindert werden können. Sollte sich das bewahrheiten, muss dieser Fall politische Konsequenzen haben, meint NDR Reporter Finn Kessler.
Mich macht das fassungslos. Es ist das eingetreten, was sich Stück für Stück abzeichnete: Der Amoklauf hätte wohl verhindert werden können. In der Waffenbehörde waren nämlich eigentlich alle Informationen vorhanden, um Philipp F. seine Waffe wegnehmen zu können. Eine Mitarbeiterin hatte Kenntnis von dem wirren Buch, das der Amokläufer geschrieben hatte. Sie hatte es aber weder heruntergeladen, noch bestellt oder gelesen. Ein anderer Kollege wusste, dass Philipp F. psychische Probleme hatte. Und er kannte die Hintergründe eines anonymen Schreibens an die Waffenbehörde, das er selbst als Form der Warnung empfohlen haben soll. Das alles verschwieg er.
Ermittlungen gegen einen Polizisten
Jetzt ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft gegen diesen Mitarbeiter - einen Polizisten - wegen sechsfacher fahrlässiger Tötung. Eine Mitschuld an dem Amoklauf ist also möglicherweise in der Waffenbehörde, bei der Polizei selbst, zu finden.
Jemand muss die politische Verantwortung tragen
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer hatte sich in den letzten Wochen noch mit breiter Brust vor seine Behörde gestellt und behauptet, die Mitarbeiter hätten nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Nun wissen wir: Da hat er sich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Acht Menschen sind tot. Dafür muss jemand die politische Verantwortung übernehmen. Und da dürfen sich sowohl Innensenator Andy Grote (SPD) als auch der Polizeipräsident angesprochen fühlen.
Arbeitsabläufe müssen auf den Prüfstand
Ein Rücktritt allein behebt das Problem aber nicht. Die Arbeitsabläufe in der Waffenbehörde müssen hinterfragt und überprüft werden. Denn dort wird entschieden, wer in Hamburg eine scharfe Waffe bekommt. Auch die Rolle des "Hanseatic Gun Clubs" muss untersucht werden. Denn dort sollen im großen Stil falsch ausgefüllte Zeugnisse ausgestellt worden sein, die zwingend für die Beantragung einer Waffenbesitzkarte notwendig sind. Und das, obwohl entsprechende Prüfungen nicht bestanden worden sein sollen. Auch Philipp F. hätte wohl gar keine Waffe besitzen dürfen. Ist das also gängige Praxis in dem Schießclub? Auch das muss die Polizei untersuchen. Das ist sie den Opfern des Amoklaufes schuldig.