Amoklauf bei Zeugen Jehovas: Wohnungen und Büros durchsucht
Nach der Amoktat bei den Zeugen Jehovas in Hamburg ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft gegen einen Mitarbeiter der Waffenbehörde wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung in sechs Fällen. Außerdem laufen Ermittlungen gegen drei Mitglieder des Sportschützenvereins "Hanseatic Gun Club". Am Donnerstag wurden mehrere Räumlichkeiten durchsucht.
Der Mitarbeiter der Waffenbehörde hatte laut Generalstaatsanwaltschaft von einem Mitglied des "Hanseatic Gun Clubs" Informationen über Philipp F. bekommen. Das Mitglied des Sportschützenvereins hatte diese wiederum aus dem familiären Umfeld des späteren Amokschützen. Statt die Warnung ordnungsgemäß weiterzuleiten, empfahl der Behörden-Mitarbeiter offenbar dem Mitglied, ein anonymes Schreiben an die Waffenbehörde zu schicken.
Sachbearbeiter entschied sich für unangekündigte Kontrolle
Der Mitarbeiter der Waffenbehörde soll das Schreiben zunächst selbst bearbeitet haben, dann aber seinem Arbeitgeber verschwiegen haben, dass er mehr über den Fall wusste - und woher die Warnung kam. Laut Staatsanwaltschaft bestehen gegen den Mitarbeiter "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" für den Verdacht der fahrlässigen Tötung in sechs Fällen sowie der fahrlässigen Körperverletzung im Amt in 14 Fällen.
Ein Sachbearbeiter entschied sich - in Unkenntnis der vorhergehenden Punkte - schließlich für eine unangekündigte Kontrolle bei Philipp F., bei der es darum ging, wie dieser die Waffe aufbewahrt. Mit dem Wissen des beschuldigten Mitarbeiters hätte er sich gezielt weitere Informationen verschaffen können und vor allem die Schusswaffe und auch die Munition sicherstellen können.
Auch Ermittlungen gegen Mitglieder des "Hanseatic Gun Club"
Ermittelt wird nun auch gegen drei Mitglieder eines Prüfungsausschusses des "Hanseatic Gun Clubs", und zwar wegen des Verdachts der Falschbeurkundung im Amt. Ihnen wird vorgeworfen, Philpp F. "blanko" im April 2022 ein Sachkundezeugnis ausgestellt zu haben. Tatsächlich soll der Amokschütze die praktische Sachkundeprüfung nicht bestanden haben.
Im Oktober soll ein Mitglied der Prüfungskommission eine angeblich erfolgreich verlaufene Nachprüfung vorgenommen haben, die anschließend mit dem Sachkundezeugnis vom April dokumentiert worden sei. Darauf basierend hätte F. nach Auffassung der Ermittler im Dezember vermutlich keine Waffenbesitzkarte erhalten und entsprechend keine Waffe besitzen dürfen.
Falsche Zeugnisse auch in vielen anderen Fällen?
Den Beschuldigten des "Hanseatic Gun Clubs" wird vorgeworfen, nicht nur bei Philipp F., sondern auch in vielen anderen Fällen unzutreffende Sachkundezeugnisse ausgestellt zu haben und so die "Durchführung einer irregulären Nachprüfung gegenüber der Waffenbehörde" verschleiert zu haben.
Durchsuchungen bei allen vier Beschuldigten
Im Zuge der Ermittlungen wurden am Donnerstag laut Staatsanwaltschaft zehn Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Hamburg vollstreckt. Durchsucht wurden demnach die Wohnanschriften der vier Beschuldigten, der Arbeitsplatz des Mitarbeiters der Waffenbehörde und außerdem Räumlichkeiten des "Hanseatic Gun Clubs".
Rücktrittsforderungen an Innensenator Grote
Innensenator Andy Grote (SPD) gerät durch die neuen Entwicklungen zunehmend in die Kritik. CDU und Linke in der Bürgerschaft fordern seinen Rücktritt. "Es ist erschreckend, dass immer weitere Details bekannt werden, die den Verdacht erhärten, dass der Amoklauf bei einem vernünftigen Arbeiten der Behörden hätte verhindert werden können", sagte Hamburgs CDU-Chef Dennis Thering. Der innenpolitische Sprecher der CDU, Dennis Gladiator sagte NDR 90,3, er fordere mehr denn je den Rücktritt des Innensenators. Aus der Sicht von Deniz Celik von der Linken erhärtet sich der Verdacht, dass es zu dem Amoklauf nicht hätte kommen müssen, obwohl der Innensenator noch vor Kurzem das Gegenteil gesagt habe: "Der Innensenator hat noch im Innenausschuss erzählt, die Tat hätte sich nicht verhindern lassen. Diese ganze Erzählung fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen." Grote selbst will sich bisher nicht zu den laufenden Ermittlungen äußern.
Acht Tote nach Amoklauf
Bei dem Amoklauf am 9. März in der Straße Deelböge im Stadtteil Alsterdorf hatte der 35-jährige Philipp F. bei einer Gemeindeversammlung der Zeugen Jehovas sieben Menschen und sich selbst getötet. Neun Menschen wurden verletzt.