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Amok-Tat bei Zeugen Jehovas: Polizei ermittelt gegen Beamten

Stand: 12.04.2023 13:04 Uhr

Nach dem Amoklauf in einer Gemeinde der Zeugen Jehovas in Hamburg ermittelt die Polizei jetzt gegen einen ihrer eigenen Beamten: Gegen einen Bediensteten der Waffenbehörde ist am Dienstag ein Disziplinarverfahren eröffnet worden.

Gegen den Beamten habe sich der Vorwurf disziplinarrechtlicher Verfehlungen bestätigt, sagte ein Polizeisprecher. "Der Beamte wurde mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben in der Waffenbehörde entbunden und wird auf eine noch mit der Personalabteilung abzustimmende Funktion umgesetzt." Er soll seiner Beratungs- und Unterstützungspflicht nicht nachgekommen sein. Wegen der laufenden Ermittlungen wollte der Polizeisprecher keine Details in dem Fall nennen.

Fahrlässig oder bewusst nicht dokumentiert und verfolgt?

Wie die Wochenzeitung "Die Zeit" berichtete, steht der Beamte in Verdacht, einen Hinweis auf die Gefährlichkeit des Amokschützen Philipp F. fahrlässig oder bewusst nicht dokumentiert und verfolgt zu haben. Zudem soll der Beamte enge Verbindungen zu dem Sportschützenclub haben, in dem auch der spätere Amokschütze Philipp F. aktiv gewesen war. Dazu äußerte sich die Polizei nicht.

Ein Polizeifahrzeug steht auf der Straße vor dem Gemeindehaus der Zeugen Jehovas, an dem Blumen und Kerzen abgelegt wurden. © Christian Charisius/dpa Foto: Christian Charisius
AUDIO: Amoktat: Ermittlungen gegen Beamten (1 Min)

Bruder hatte vor Philipp F. gewarnt

Der Bruder von Philipp F. hatte sich im Januar nach bisherigen Erkenntnissen zunächst an den Sportschützenclub Hanseatic Gun Club gewandt, um mitzuteilen, dass der 35-Jährige psychisch krank gewesen sei und immer aggressiver wurde. In dem Club hatte Philipp F. zuvor seine Sportschützenprüfung abgelegt und auch die spätere Tatwaffe, eine halbautomatische Pistole, bestellt.

Hanseatic Gun Club hatte Behörde doch selbst informiert

Dem "Zeit"-Bericht zufolge gingen die Ermittler und Ermittlerinnen zunächst davon aus, dass der Sportschützenclub den anrufenden Bruder zwar an die Waffenbehörde verwiesen hatte, aber nicht selbst die Polizei informierte. Bei Vernehmungen habe sich nun aber ergeben, dass es offenbar doch mindestens einen Kontakt zwischen dem Club und einem Mitarbeiter der Polizei gegeben habe. Ein Sprecher des Gun Clubs hatte auch dem Rechercheformat STRG_F (NDR und funk) gesagt, dass der Club die Warnung sofort an die Waffenbehörde weitergeleitet habe.

Opposition macht Innenbehörde schwere Vorwürfe

Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, sagte am Mittwoch: "Sollten sich die Hinweise bestätigen, dass ein Mitarbeiter der Waffenbehörde Hinweise auf die Gefährlichkeit des Täters verschwieg, sind die Aussagen des Innensenators, dass diese Tat wohl nicht hätte verhindert werden können, nicht mehr haltbar." Die Linke spricht von einer Salami-Taktik der Innenbehörde. Es mache fassungslos, dass Innensenator Andy Grote (SPD) noch vergangene Woche im Innenausschuss die neuen Vorwürfe verschwiegen habe, so der innenpolitische Sprecher der Linken, Deniz Celik.

Acht Tote nach Amoklauf

Bei dem Amoklauf am 9. März in der Straße Deelböge im Stadtteil Alsterdorf hatte der 35-jährige Philipp F. bei einer Gemeindeversammlung der Zeugen Jehovas sieben Menschen und sich selbst getötet. Neun Menschen wurden verletzt.

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | NDR 90,3 Aktuell | 12.04.2023 | 13:00 Uhr

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