Kommentar: Dreikampf bei der Bürgerschaftswahl zu erwarten
Nach den Bezirks- und Europawahlen haben sich die Hamburger Parteien sortiert. Was bedeutet der Wahlausgang für die Rathaus-Politik und den anstehenden Wahlkampf zur Bürgerschaftswahl im kommenden Jahr? Jan Frenzel kommentiert.
Zahlen lügen nicht und sie sind eindeutig. Die Grünen sind die großen Wahlverlierer bei den Bezirksversammlungswahlen. Ich finde aber, man sollte genau hingucken und nicht pauschal urteilen. Schließlich haben die Grünen 2019 von vielen externen Effekten profitiert, die es so 2024 nicht gab. Heute heißt es: Schlechte Performance der Ampel in Berlin, Heizungsgesetz, der Ruf eine Verbotspartei zu sein. Dass sich damit kein Blumentopf gewinnen lässt, war klar. Immerhin: Die Grünen sind bei ihrer Klientel stabil, siehe Altona, Eimsbüttel und Hamburg-Nord. Ich reihe mich deswegen nicht ein in die Riege derjenigen, die sagen, die Grünen hätten eine herbe Schlappe erlitten.
Tschentscher wird in komfortabler Lage sein
Aber was heißt das alles für die Bürgerschaftswahl im März? Es wird auf einen Dreikampf hinauslaufen zwischen SPD, Grünen und der CDU. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ist nach wie vor beliebt und wird nach meiner Einschätzung in einer sehr komfortablen Lage sein: Er kann sich seinen Partner aussuchen. Wir werden deswegen in den nächsten Wochen erleben, wie sich die Grünen und auch die CDU aufstellen und positionieren.
Was jetzt für Grüne, CDU und SPD wichtig ist
Die Hamburger Grünen werden es dabei meiner Meinung nach schwieriger haben. Schließlich müssen sie in Hamburg weiter regieren, sich gleichzeitig ein bisschen von der SPD absetzen, eigene Akzente setzen, ohne den Ruf einer Verbotspartei zu bestätigen, weiter gespannt nach Berlin gucken - und das alles auf einmal.
Die CDU ist klug beraten, wenn sie jetzt cool bleibt. Die Strategie, in den Außenbezirken zu punkten, ist aufgegangen. Ein Sensationsergebnis sind die Zahlen dieser Woche aber nicht. Allein: Die inhaltlichen Schnittmengen mit der SPD in zentralen Politikfeldern sind da. Ich glaube, die CDU wird darauf immer wieder aufmerksam machen müssen, um für die SPD attraktiv zu bleiben.
Bleibt die SPD: Tschentscher wird ebenfalls besorgt nach Berlin schauen, seinem Parteifreund und Vorgänger Olaf Scholz erklären müssen, dass er lieber nicht für ihn Wahlkampf in seiner Heimatstadt machen sollte, die Daumen drücken, dass die Ampel trotzdem hält und Kurs halten. Seine SPD hat angesichts der bundespolitischen Lage ein ordentliches Ergebnis erzielt. Tschentscher wird seinen Parteifreunden in den Bezirken sagen, dass sie breite Bündnisse auch mit der CDU eingehen sollten. Flexibel bleiben: Das muss sein Gebot der Stunde sein.
AfD-Ergebnisse sollten allen Parteien eine Warnung sein
Dass die AfD in einigen Stadtteilen massiv Stimmenzuwächse hatte, sollte allen Parteien eine Warnung sein. Auch der Einzug von Volt in gleich fünf Bezirksversammlungen - einer jungen Partei, die ihren Schwerpunkt bislang vor allem in Europa hatte - ist kein Ruhmesblatt für die etablierten Parteien. Aber: Die Wahlbeteiligung ist gestiegen. Das ist gut für den politischen Diskurs in der Stadt und damit für alle Parteien.