Hamburgs Schulsenator fordert Gerechtigkeit bei Abiturbedingungen
Der zweitägige Bildungsgipfel ist vorbei, nur zwei von 16 Landesministerinnen und -ministern haben teilgenommen. Heute und morgen treffen sie sich zur turnusgemäßen Kultusministerkonferenz (KMK), um über die Probleme im Bildungssektor zu sprechen.
Auf der Tagesordnung der KMK stehen vor allem Pläne zur weiteren Angleichung der Abiturbedingungen zwischen den Bundesländern. NDR Info hat vor dem Treffen mit Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) gesprochen. Er war beim Bildungsgipfel in Berlin dabei.
Was nehmen Sie denn mit aus diesen beiden letzten Tagen in diese Kultusministerkonferenz?
Ties Rabe: Ja, ich glaube, der Bildungsgipfel war kein guter Auftakt. Aber wir als Kultusminister wollen auf den Bund zugehen und hier die Zusammenarbeit einleiten. Und ich bin auch ganz zuversichtlich, dass das gelingen wird, auch unter Einbeziehung der Kommunen. Man muss miteinander reden, und das wollen wir auch tun.
Hamburg wird oft als Positivbeispiel genannt, weil die Stadt eben Brennpunktschulen fördert, mit mehr Lehrern, mehr Sozialarbeit und Hilfsangeboten. Es gibt seit Jahren Lernstands- und Spracherhebungen. Warum lässt sich das auf andere Länder so schwer übertragen?
Rabe: Ich glaube, das lässt sich durchaus auf andere Länder übertragen, wobei jedes Land seine unterschiedlichen Probleme zu bewältigen hat. Und Hamburg hat auch ein Stück weit den Vorteil, dass es eine beliebte Stadt ist, dass Lehrerinnen und Lehrer hier gerne unterrichten, wir also bisher kaum Personalprobleme hatten. Aber das hat uns eben auch die Möglichkeit gegeben, zu handeln. Und während wir sonst immer unter den 16 Bundesländern im Leistungsvergleich auf Platz 14 lagen, sind wir beim letzten Mal auf Platz sechs hochgeschnellt. Das zeigt: Da geht was, wenn man zusammenarbeitet und sich auf die Sache konzentriert.
Sind solche Reformen nur mit mehr Geld zu schaffen?
Rabe: Man darf nicht ganz darüber hinwegsehen, dass das allermeiste Geld von den Ländern und Kommunen kommt. In Hamburg ist es so, dass der Bundesanteil an den Schulkosten bei unter zwei Prozent liegt. Daran kann man sehen, dass man auch handeln kann mit dem eigenen Geld. Das ist sicherlich schöner, wenn der Bund noch zusätzlichen Rückenwind gibt. Und darauf setzen wir. Wir wollen heute einen großen Schritt vorangehen, damit wir dieses Startchancen-Paket auf den Weg bringen, wo der Bund hilft - gerade da, wo Schulen in sozial benachteiligter Lage liegen. Aber umgekehrt können auch die Länder vieles tun, und das wollen wir auch. Wir wollen auch weiterkommen, auch mit gemeinsamen Vereinbarungen. Ich glaube, wir werden heute unter anderem eine neue Abiturregelung auf den Weg bringen, die zeigt, dass die Länder auch untereinander handlungsfähig sind.
Wie hoch ist der Wille da zu mehr Einheitlichkeit in den Ländern?
Rabe: Der Wille ist durchaus sehr groß, obwohl man sagen muss, die Unterschiedlichkeit ist leider auch sehr groß. Aber das Bundesverfassungsgericht hat sehr klargemacht: Wenn das Abitur gerade für das Studium und für die Zulassung eine so überragende Bedeutung hat und sie auch behalten soll, dann muss das Abitur vergleichbarer sein. Ein Drittel der Abiturleistung sind die Klausuren. Hier sind wir schon deutlich näher beieinander, weil sie aus einem gemeinsamen Aufgaben-Pool in allen Ländern ähnliche Klausuren schreiben. Aber zwei Drittel der Leistung stammen aus den Kursen der Oberstufe. Und hier müssen wir klarer definieren, wie diese Leistung bewertet wird. Und das wollen wir heute tun. Ein Beschluss ist in Vorbereitung, ich bin ganz zuversichtlich, dass das klappen wird.
Bildungsforscher sagen, wichtiger als eine Vereinheitlichung der Abiturbedingungen sei die Qualität des Unterrichts davor.
Rabe: Beides ist richtig. Man muss allerdings auch am Ende ein Abiturzeugnis haben, das bundesweit wenigstens eine ähnliche Qualität hat. Denn das Abitur öffnet die Türen zum Studium, oder es verschließt die Türen. Und da geht es nicht, dass man im einen Land vielleicht doppelt so viel lernen muss wie im anderen Land, um die gleiche Zensur zu bekommen. Hier braucht es Gerechtigkeit. Das heißt aber umgekehrt nicht, dass die Anstrengungen, Unterricht zu modernisieren, Unterricht zu verbessern, auch Unterricht anders zu gestalten, dass diese Anstrengungen damit gedeckelt werden. Im Gegenteil, man kann beides gut miteinander vereinbaren.
Thema Weiterbildung von Lehrern: Die ist mangelhaft, wird oft beklagt, gerade wenn es um Digitalisierung geht, auch um neue Formen des Unterrichts. Was muss da passieren?
Rabe: Einerseits braucht es eine gute Ausstattung der Schule. Man kann nicht Digitalisierung voranbringen, wenn es kein WLAN gibt, wenn es keine Computer gibt und Ähnliches.
Aber Technik allein führt ja auch nicht dazu.
Rabe: Sehr richtig. Aber es ist umgekehrt auch wichtig, dass alle Beteiligten dort mitmachen. Sie müssen aber berücksichtigen: Wir reden hier nicht darüber, ein mittelständisches Unternehmen zu digitalisieren, sondern wir reden über elf Millionen Menschen - zehn Millionen Schülerinnen und Schüler und eine Million Lehrkräfte - die alle zu qualifizieren. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern das braucht auch ein bisschen Zeit. Es gibt ja auch andere große Systeme vergleichbarer Natur. Aber wenn ich mir zum Beispiel die Bundeswehr angucke, wie mühsam das auch dort vorangeht, dann bitte ich auch ein bisschen um Verständnis für die Lehrerinnen und Lehrer. Die können nicht von heute auf morgen allesamt komplett die Digitalisierung beherrschen. Das braucht ein bisschen Zeit.
Das Interview führte Liane Koßmann, NDR Info.